Sonntag, 6. Dezember 2015

Nochmals Vollkommenheit

In Ergänzung zu meinem letzten Artikel nochmals ein Wort zur Vollkommenheit. Die Aussage Jesu in der Bergpredigt, dass wir so vollkommen sein sollen wie unser Vater im Himmel vollkommen ist, wird von Jesus in der Feldrede im Lukasevangelium dahingehend konkretisiert, dass es dort heißt: Luk 6:36 Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!

Bei Vollkommenheit geht es also im wesentlichen um Barmherzigkeit! Die wahre, von Gott geforderte Vollkommenheit ist eben Barmherzigkeit.

Aber auch im Matthäusevangelium wird genau dieser Gedanke von Jesus selbst unterstrichen in der Geschichte vom reichen Jüngling. Hier stellt Jesus ebenfalls den Zusammenhang zwischen Vollkommenheit und Barmherzigkeit her. Nachdem der Jüngling selbstsicher behauptet, alle wesentlichen Gebote der Tora gehalten zu haben macht ihn Jesus auf das eigentliche Ziel, auf Vollkommenheit aufmerksam. Es sagt:

Mat 19:21 "Wenn du vollkommen sein willst, dann geh, und verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen - du wirst dann einen Schatz im Himmel haben -, und komm, folge mir nach."

Sowohl bei der Stelle in der Bergpredigt wie auch hier in Matthäus 19 wird für Vollkommenheit das griechische Wort teleios verwendet. Wenn dieser junge Mann vollkommen sein will erreicht er das dadurch, dass er den Armen gegenüber barmherzig ist, indem er seinen Besitz verkauft und ihn an die Armen verteilt.

Auch hier ist Vollkommenheit nichts anderes wie gelebte Barmherzigkeit. Auch diese Stelle macht deutlich, dass Gott in aller erster Linie Barmherzigkeit von uns verwaltet und genau das uns vollkommen macht.

Gott ist Liebe und Barmherzigkeit und genau das macht seine Verkommenheit aus. Gott hat nicht mehrere Haupteigenschaften, die zusammen genommen einen vollkommenen Gott ergeben. Gott ist Liebe, Punkt! Es ist eben falsch, wenn behauptet wird: Gott kann auch anderst. Als hätte Gott mehrere Wesen die er je nach Bedarf aus der Schublade zieht. Mal zornig, mal gerecht, mal strafend, mal lieb. Gott ist Liebe, das wurde in Christus deutlich und er ist nie anderst. Selbst wenn Gott gerecht ist, ist er die Liebe. Gottes Vollkommenheit zeigt sich in seiner Barmherzigkeit. Und genau darum ist sie auch unser höchstes Ziel!

 

Samstag, 5. Dezember 2015

Ihr sollt vollkommen sein!?

Eine der herausforderndsten Stellen in der Bergpredigt findet sich am Ende von Matthäus 5:

Mat 5:48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."

Auf den ersten Blick scheint Jesus auszudrücken, dass seine Zuhörer genauso vollkommen sein müssen wir der allmächtige Gott. Aber wie ist das zu schaffen, dass ein sündiger Mensch so vollkommen und fehlerlos sein kann wie Gott?

Und was bedeutet "vollkommen" überhaupt? In der Auslegungs- und Predigtgeschichte musste diese Stelle für vielerlei herhalten. Für die einen ging es um moralische Vollkommenheit, für die anderen um sexuelle Reinheit, für wieder andere um einen makellosen Lebenswandel oder dogmatische Korrektheit. Einfach vollkommen. Und da nun wirklich jeder an diesem universellen Vollkommenheitsanspruch scheitert, wird er entweder überlesen oder dahin gedeutet, das jeder sich einfach so intensiv wie möglich anstrengen und bemühen soll, wie es geht.

Aber glücklicherweise legt sich die Bibel immer wieder selbst aus. Was nämlich Matthäus hier in der Bergpredigt zitiert, findet sich bei Lukas in der Feldrede. Beider Male ist der Kontext die Feindesliebe.

Mat 5:43 Ihr wisst, dass es heißt: 'Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen!'

Mat 5:44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.

Mat 5:45 So erweist ihr euch als Kinder eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Mat 5:46 Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr dafür wohl verdient? Denn das machen auch die Zöllner.

Mat 5:47 Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr damit Besonderes? Das tun auch die, die Gott nicht kennen.

Mat 5:48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."

Der Abschluss dieser Aufforderung zu einer großen Liebe ist dann unser Satz mit der Vollkommenheit. Schon hier deutet sich an, dass mit "vollkommen wie Gott" eher "liebevoll wie Gott" gemeint sein könnte.

Bei Lukas ist der Kontext folgender:

Luk 6:27 "Doch euch, die ihr mir wirklich zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen!

Luk 6:28 Segnet die, die euch verfluchen! Betet für die, die euch beleidigen! ...

Luk 6:35 Ihr aber sollt gerade eure Feinde lieben! Ihr sollt Gutes tun, ihr sollt leihen und euch keine Sorgen darüber machen, ob ihr es wiederbekommt. Dann wartet eine große Belohnung auf euch und ihr handelt wie Kinder des Höchsten. Denn er ist auch gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Luk 6:36 Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!

Auch hier macht Jesus deutlich, dass seine Jünger nicht nur ihre Freunde lieben sollen, sondern sich eben gerade auch über die Feinde erbarmen. Und Jesus schließt den Abschnitt damit ab, dass wir so barmherzig sein sollen wir Gott.

Wenn es bei Matthäus noch ganz allgemein heißt: "vollkommen sein wie Gott", dann wir diese Vollkommenheit bei Lukas konkretisiert und als Barmherzigkeit verstanden.

Es geht also nicht um die Aufforderung nach einem vollkommen makellosen und korrekten Leben, sondern darum, sich die Barmherzigkeit Gottes zum großen Ziel zu setzen. Wer vollkommen sein will wie Gott, der muss so barmherzig sein wie er.

Plötzlich ist das Streben nach Vollkommenheit nicht länger die auf mich, nach innen und auf meine Frömmigkeit gerichtete Anstrengung, sondern die Anstrengung für den anderen, die Barmherzigkeit, die ja auf den anderen, den Nächten und sogar den Feind gerichtet ist.

Das ist der Grundtenor der Reich Gottes Botschaft Jesu immer und immer wieder. Das ist auch der Dreh- und Angelpunkt unsre Nachfolge.

Montag, 2. November 2015

Israel als Gerichtsmassstab?

Vor einigen Tagen hatten wir im Rahmen eines städtischen Leitertreffens einen Vortrag von Johannes Gerloff. Als deutscher Theologe und Journalist lebt er seit vielen Jahren in Israel. Er ist geprägt von einer großen Liebe zu Israel und dem jüdischen Volk. In seinen Büchern beschäftigt er sich mit den Grenzen Israels, mit der Auslegung von Römer 9-11, mit dem Volk der Palästinenser und vielem mehr.
Was mir in seinem Vortrag entgegen kam war eine sehr einseitige Israeltheologie und ein ausgeprägtes schwarz-weiß Denken, das zu meinem Erstaunen immer wieder mit starkem Kopfnicken und zustimmendem Murmeln der anwesenden Leiter quittiert wurde.
Ich selbst war doch recht schockiert.
Zum einen haben Gerloffs Erfahrungen mit Moslems ihn zur grundsätzlichen Haltung gebracht, dass jeder Moslem besessen ist, weil der Islam nichts anderes als dämonische Besessenheit ist. Diese Pauschalisierung finde ich unfassbar. Sie ist geprägt von der Erfahrung, dass sich viele Moslems sehr schwer tun mit einer klaren Bekehrung und immer wieder hin und her gerissen sind. Aber das erlebe ich auch bei Atheisten oder anderen Menschen, die nach langer Prägung ohne Gott dann in die Nachfolge Jesu gerufen werden.
Die Bibel hat extra eine Beschreibung für diesen Kampf: es ist der Konflikt zwischen Geist und Fleisch, zwischen der neuen Natur und der Alten. Aber hier pauschal Dämonisierung ins Spiel zu bringen halte ich für völlig überzeichnet und wird der ernsten und hingebungsvollen Gottessuche vieler Moslems in keinster Weise gerecht. Es fördert vielmehr das Bild des bösen Moslems. So kann man Denken, wenn man von fanatischen Selbstmordattentätern spricht, die sich im Namen Gottes in die Luft sprengen um andere zu töten und zu verletzen. Aber Besessenheit auf alle Moslems zu beziehen ist fatal für den Umgang mit diesen Menschen und steht uns ausserdem überhaupt nicht zu als Aufgeforderte, keinen Menschen zu verurteilen.

Noch schwerwiegender in seinen praktischen Folgen fand ich aber seine Auslegung von Matthäus 25. Der berühmte Text, bei dem der König die Schafe von den Böcken trennt: die einen ins ewige Reich des Vaters und die anderen in ewiges Feuer. Für ihn ist das ein Text über das Gericht, und das Handeln der Menschen ist gerichtsentscheidend. Um welches Handeln geht es denn für ihn in diesem Text?
Für Gerloff geht es um den einen Satz des Königs: was wir mit den Brüdern getan haben oder eben nicht. Für ihn sind diese Brüder das Volk Israel, die Juden. Gerichtsentscheidend ist für ihn also, wie wir zu Israel stehen. Gleichgültigkeit oder Neutralität Israel gegenüber ist für ihn gerichtsentscheidend.
Nun bin ich absolut dafür, eine Liebe zu Israel zu entwickeln, dieses Volk, ihre Religion, ihr Land und ihre Kultur wertzuschätzen. Ich denke wir sollten allen Völkern gegenüber eine wohlwollende und freundschaftliche Haltung entwickeln, gerade zu Israel. Aber es zum Gerichtskriterium zu machen geht völlig am Text vorbei. In Matthäus 25 geht es um den Dienst an den Armen, den Kranken, den Nackten, den Hungrigen, den Fremden und Gefangenen. Seit Jahrhunderten dient dieser Text dazu, Christen zu einem diakonischen und barmherzigen Verhalten zu rufen. Wie stehen wir zu den Schwachen und Armen, den Vertriebenen und Gefolterten, den Hungernden und Ausgebeuteten? Viel diakonische Arbeit der ersten Christen bis zu den christlichen Krankenhäusern der Neuzeit haben diesen Text als  Grundlage. Dieser Text ist ein Meilenstein der christlichen Nächstenliebe und Diakonie seit 2000 Jahren.

Nach unserem Treffen ist so mancher Leiter nach Hause gegangen mit dem Gedanken, dass es nun vor allem darum geht, wie man zu Israel steht. Mit einem Wisch das diakonische Anliegen Jesu vom Tisch gefegt und mit Israelliebe ersetzt. Da finde ich eine Katastrophe! Das ist ein weiterer Schritt in Richtung dieser einseitigen, Scheuklappen tragenden Israelüberbetonung. Und was heißt nicht gleichgültig oder neutral zu Israel zu stehen? Muss ich jetzt mein Olivenöl von dort beziehen oder Waffenlieferungen an Israel gut heißen? Auf diese konkrete Rückfrage aus dem Publikum blieb Gerloff eine Antwort schuldig.
Gerloff kommt zu dieser Auslegung, weil er vom alten Testament her denkt. Und da sind mit "Brüder" immer die anderen Juden gemeint. Für ihn muss man die Bibel von vorne lesen. Das NT vom AT herkommend deuten. Aber hier steckt bereits der Fehler. Ich sehe das genau andersherum. Jesus ist die letzte und grosse Offenbarung Gottes und wir sehen alles in seinem Licht. Wir können das AT eben erst durch Jesus vertstehen. So vieles bleibt widersprüchlich und verstörend im AT, wenn es nicht von Jesus her verstanden wird. Man muss die Bibel von Jesus her lesen, nicht von vorne!

Ich bin ein Freund Israel, ich war schon mehrmals dort, habe Freunde dort, habe eine Israelreise für unsere Gemeinde organisiert und könnte mir vorstellen dort für eine gewisse Zeit zu leben. Nach dem Holocaust durch die Deutschen bleiben wir ewig dem Wohlergehen Israels verpflichtet. Aber die evangelikale Israelromantik erinnert mich ganz stark an die katholische Marienverehrung, die den Evangelikalen doch so viel Mühe bereitet.
Da gibt es diese Maria, die eine besondere Rolle im Glauben des Katholiken spielen muss, die man besonders verehren soll, zu der man beten soll und die eine ganz zentrale heilsgeschichtliche  Bedeutung hat. Wer diese Haltung zu Maria vermissen lässt wird eines wenig ernsthaften Glaubens verdächtigt.
Auf evangelikaler Seite lässt sich Maria mit Israel austauschen, die inneren Reflexe sind dieselben: Israel muss eine besondere Rolle im Glauben spielen, man muss es besonders verehren, für Israel beten und seine zentrale biblische und heilsgeschichtliche Bedeutung erkennen. Wer das nicht tut, dem wird mangelnde Erketniss der Wahrheit unterstellt.
Scheinbar brauchen viele Christen etwas Handgreifliches für ihre Gottesverehrung. Ob es eine historische Frau ist, ein irdisches Volk oder ein goldenes Kalb. Aber ist Gott nicht gerade Mensch geworden, damit wir ein für allemal etwas Handgreifliches für unseren Glauben haben? Eine irdische Person, der Mensch Jesus Christus, ein Mann aus Fleisch und Blut. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum es da für so viele Gläubige wichtig ist, noch eine Maria oder ein Israel oder sonst etwas ihrer Gottesverehrung hinzuzufügen. Mir reicht Jesus vollkommen aus. Ich kann mich nicht satt sehen und denken an ihm.

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Shoppingpause


Seit einigen Jahren beschäftigt uns als Ehepaar und Familie das Thema Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Umgang mit Besitz, Reichtum und Armut. Viele Gespräche zum Thema, Austausch mit Freunden, gute Bücher und der Besuch von Konferenzen haben in uns den Wunsch wachsen lassen, ganz persönlich einen Beitrag zu diesem Thema zu leisten. Als Pastor habe ich die Thematik auch immer wieder in Predigten aufgenommen und 2011 sogar den Stopp Armut Preis gewonnen. Seither sind wir am Experimentieren und probieren verschiedene Dinge aus, die uns helfen, diese Thematik in unseren Alltag zu integrieren und Schritt für Schritt umzusetzen.

Unser jüngstes Experiment ist diese Shoppingpause: Ein Jahr lang auf Shopping verzichten! Was dahinter steckt und wie es uns dabei ergeht, davon handelt unsere neue Webseite: shoppingpause.com

Wir suchen ein paar Verrückte und Experimentierfreudige, die sich unserem Selbstversuch anschliessen wollen.

Dienstag, 20. Oktober 2015

Ein Wort an Ehemänner

Ein Wort an Ehemänner

Nehmt Eheprobleme ernst!

Immer und immer wieder erlebe ich das gleiche Szenario:

Ehefrauen empfinden meistens wesentlich schneller Probleme in der Ehe als Männer. Für sie ist wesentlich früher die Harmonie gestört, das Fundament verschoben, das Glück in Gefahr, die Zweisamkeit angeknackst.

Und wenn Frauen anfangen, dieses Empfinden zu thematisieren, wenn sie darüber reden wollen, dann neigen viele Männer dazu, das Ganze nicht wahrhaben zu wollen und es nicht aufzugreifen. Innerlich denken wir Männer dann:

Stell dich doch nicht so an, es ist doch alles o.k., ich auf alle Fälle bin glücklich.

Ich muss so viel arbeiten, ich habe so viele Probleme bei der Arbeit, ich will nicht nach Hause kommen und dann nochmal auf Probleme stoßen.

Ich will, dass es einfach funktioniert zu Hause.

Ich will, dass meine Welt heil bleibt! Ich habe keine Lust auf dauernde Grundsatzdiskussionen.

Ich will, dass mein zuhause der Ort des Glücks ist, wo ich ankomme, heimkomme, auftanken und genießen kann.

Und ständig müssen die Frauen dann mit irgendwelchen Problemen kommen, mit Harmoniestörungen und Rissen in der Zweisamkeit.

Was stimmt denn jetzt schon wieder nicht für sie?

Die soll sich nicht so anstellen, nicht so kompliziert tun, nicht so anspruchsvoll sein.

Und so neigen wir Männer dazu, das, was unsere Frauen thematisieren wollen, zu banalisieren, zu verdrängen oder einfach nicht ernst zu nehmen.

Wir machen innerlich zu beim ersten Anzeichen, dass Frauen an unserer Ehe herum kritisieren. Wir hören nicht hin und lassen uns nicht darauf ein.

Und dann wundern wir uns, warum Frauen plötzlich nach ein paar Jahren nicht mehr mit uns zusammen leben wollen, ausbrechen müssen oder sich in einen anderen Mann verlieben.

Und wenn wir sie dann zur Rede stellen, hören wir diesen berüchtigten Satz: ich habe es doch jahrelang versucht, mit dir über unsere Eheprobleme zu reden. Du wolltest einfach nicht hören!

Und wenn wir dann endlich aufwachen und hinhören wollen und uns der Problematik annehmen, ist es leider oft zu spät und das Wohlwollen und die Motivation und die Liebe der Frauen haben sich verbraucht.

So bitte ich euch ihr lieben Männer: nehmt es ernst und greift es auf, wenn eure Frauen etwas an eurer Ehe zu bemängeln haben.

Auch wenn das Kraft kostet und unangenehm ist - Es ist kein Vergleich zu der Kraft und der Verzweiflung und der Hilflosigkeit und der Ohnmacht und dem Schmerz, die es kostet, wenn man nicht hinhört und weiterhin die Anliegen unserer Frauen nicht wirklich ernst nimmt.

Und dieses ernst nehmen muss ja kein Schuldeingeständnis sein. Aber eben mindestens die Bereitschaft, darüber zu reden und miteinander eine Lösung zu finden.

Dienstag, 13. Oktober 2015

Was Ehen stark macht

Am vergangenen Sonntag haben meine Frau Nina und ich gemeinsam im Gottesdienst darüber gesprochen, wie man die eigene Ehe stärken kann und die gemeinsame Schnittmenge pflegen.
Wir empfehlen diesen Talk allen bestehenden und werdenden Ehepaaren wärmstens.

Freitag, 18. September 2015

Jesus und der neue Wein 2



Immer wieder wurde Jesus gefragt, warum er es nicht so macht wie alle?
Warum muss er die Dinge anders machen?
Warum kann er nicht bei dem bleiben, was überliefert ist und was schon die Thora und die Ältesten lehren?
Warum kann er nicht die alte, gute Religion unterstützen?
Warum bringt er alles durcheinander?

Nun gibt es einen Text, wo Jesus ein für alle Mal eine Antwort gibt auf seine Andersartigkeit.
Eine Antwort, warum er es nicht so macht wie bisher, und warum er in Vielem gegensätzlich handelt als die bisherige Religion.
 

Lk.5,33: Wieder einmal kamen die Pharisäer zu Jesus und stellten ihm eine Frage: "Die Jünger von Johannes dem Täufer fasten und beten viel, und unsere Jünger halten es auch so. Warum aber essen und trinken deine Jünger, ohne sich um die Fastentage zu kümmern?“ 34 Da antwortete Jesus: "Wollt ihr vielleicht die Hochzeitsgäste hungern lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? 35 Die Zeit kommt früh genug, dass der Bräutigam ihnen genommen wird. Dann werden sie fasten.“36 Noch mit einem anderen Beispiel ging er auf ihre Frage ein: "Niemand zerreißt ein neues Kleid, um damit ein altes zu flicken. Nicht nur, dass es um das neue Kleid zu schade wäre; sondern der neue Flicken passt auch gar nicht zum alten Kleid.37 Ebenso füllt niemand jungen, gärenden Wein in alte, brüchige Schläuche. Sonst platzen sie, der Wein läuft aus, und die Schläuche sind unbrauchbar. 38 Nein, jungen Wein füllt man in neue Schläuche.39 Wer aber gern alten Wein trinkt, der will vom jungen Wein nichts wissen. 'Der alte Wein ist immer noch der beste', wird er sagen.“

Die Pharisäer greifen hier das Thema Fasten auf und fragen Jesus, warum er mit seinen Jüngern zur Fastenzeit nicht fastet?
Alle anderen fasten, nur du nicht und hältst auch deine Jünger davon ab. Es gehört sich aber zu fasten!
Jesus antwortet auf diese Anfrage dreifach.
Alle drei Antworten sind Bilder.
Die erste Antwort ist sehr konkret und vergleicht das Kommen und Dasein Jesu mit der Zeit einer Hochzeitsfeier.
Während dieser Feier wird nicht getrauert, nicht gejammert und nicht gefastet, da wird gelacht, da ist man fröhlich und lässt es sich gut gehen.
Solange Jesus da ist, wird nicht gefastet.
Durch sein Dasein werden bestimmte Dinge ausgesetzt, haben bestimmte Dinge keinen Platz, keine Bedeutung oder keine Relevanz mehr.
Ihr Pharisäer fastet für etwas, z.B. für das kommen des Messias oder des Reiches Gottes und habt nicht verstanden, dass er bereits hier mitten unter euch ist.
Ich solltet aufhören mit Fasten und anfangen zu danken und euch zu freuen!

Das zweite und dritte Bild, das Jesus als Antwort gibt, das Bild vom Kleid und vom Wein, sind mehr genereller Art, eine generelle Antwort auf die generelle Anfrage nach der Andersartigkeit von Jesu Frömmigkeit.
Zuerst vergleicht er sein Handeln, seine Entscheidungen, seine Lehre, seine Frömmigkeit, seine Art der Religion mit einem neuen Stück Stoff, das einfach nicht zum alten Kleid passt.
Diese beiden Stoffmuster und Stoffqualitäten passen nicht zusammen.
Der alte Stoff ist schwach und erträgt den neuen Stoff und dessen Stärke nicht.
Dieser neue Stoff ist Teil eines neuen Kleides.
Entweder du nimmst das ganze neue Kleider oder du lässt es sein.
Aber du kannst dir nicht nur ein Stückchen von diesem neuen Kleid nehmen und damit dein altes Kleid pimpen.
Dieses neue Stück Stoff würde nicht halten und das alte Kleid nur noch mehr zerreißen.

Und danach vergleicht Jesus sein Handeln und seine Lehre und seine Frömmigkeit und seine Art der Religion mit neuem Wein.
Und neuer Wein muss in neue Weinschläuche gefüllt werden.
Diese neuen Weinschläuche sind noch elastisch und dehnbar.
Denn neuer Wein entwickelt sich noch, ist immer noch in einem Prozess, er gärt, er reift.
Das ertragen alte Weinschläuche nicht, die sind oft spröde, überaltert und dieser neue Wein würde diese Weinschläuche zerreißen, sprengen.

Was Jesus bringt ist neuer Wein!
Eine neue Sicht der Dinge!
Eine neue Sicht der Thora, des Gesetzes.
Eine neue Sicht der Gebote und der Moral.
Und damit eine neue Umsetzung der Thora.
Eine neue Frömmigkeit.
Eine korrigierte Religion.
Eine neue Denkweise.
Religiöses Leben, das wieder in Einklang kommt mit der Absicht und dem Willen Gottes.
Eine neue Sicht des Menschen und eine neue Sicht des Sünders.
Vor allem eine völlig korrigierte Vorstellung von Gott.

Aber für diesen neuen Wein muss man beweglich sein,
Das zerreißt einen fast,
Dieser Wein ist explosiv,
Da haut es schon mal den Korken raus!
Dieser Wein bereitet einem Bauchschmerzen, so wie das eben bei neuem Wein ist, wenn ihr den schon einmal getrunken habt.
Der gärt in deinem Magen
Da kann man schon mal Dünnschiss bekommen.

Und dieser neue Wein, diese neue Denkweise, diese neue Sicht der Dinge, dieses neue Gottesbild und diese neue Umsetzung von Religion passt eben nicht mehr zur alten Religion, sondern fordert die alte Religion heraus und provoziert.
Und darum braucht es neue Schläuche, neue Gefäße, neue Formen und Strukturen, neue Menschen.
Diese Art der Frömmigkeit passt nicht mehr hinein, sondern bedroht die alte.
Und so ist es kein Wunder, dass am Ende Jesus von der höchsten religiösen Behörde, dem Hohen Rat, als Ketzer, als Gotteslästerung, verurteilt wurde.

Und genau darum steht auch der letzte Vers im Text:

39 Wer aber gern alten Wein trinkt, der will vom jungen Wein nichts wissen. 'Der alte Wein ist immer noch der beste', wird er sagen.“

Genau das spiegelt die Haltung der Pharisäer, der alten Frömmigkeit wieder:
Das Alte ist immer noch das Beste!
Bleib mir weg mit diesem neuen Denken, diesem neuen Handeln!
Das bedroht uns nur, das verunsichert uns nur, das gefährdet uns!
So wie es war, war es gut!
Mir hat das Alte gefallen!
Der alte Wein ist immer noch der Beste!

Wer lange genug im alten frommen System ist, Teil der alten Religion, es sich dort gemütlich gemacht hat, darin seine Sicherheit findet, der fühlt sich vom neuen Wein bedroht.

Nach 20 Jahren Leiterschaft und nach 35 Jahren leben in der Welt des evangelikalen Christentums,
wage ich es zu behaupten, dass unsere evangelikale, freikirchliche Religion in so manchem deutlich abgewichen ist von der eigentlichen Absicht Gottes, seiner Idee vom Reich Gottes und seinem Willen.
Ich glaube, dass das evangelikale Christentum dringend Korrektur braucht.
Ich nehme wahr, dass diese Religion nicht immer die Art von Menschen hervorbringt, die das Reich Gottes eigentlich hervorbringen möchte.
So wie im Judentum zur Zeit Jesu gibt es auch heute ein paar ganz große Bereiche, in denen wir abgewichen sind von der eigentlich biblischen Botschaft, dem was Christus offenbart hat und dem was dem Wesen des Reiches Gottes entspricht.
Ich entdecke uns verliebt in unseren alten Wein, alte Werte, alte Moral, alte Methoden, alte Strukturen, alte Vorurteile und alte Denkweisen.
Diese evangelikale Religion verliert zunehmend an Ansehen und an Relevanz in dieser Welt.
Sie unterscheidet sich zu wenig deutlich von den religiösen Ansätzen, die wir in anderen fundamentalistischen Bewegungen und religiösen Strömungen heutzutage finden.
Unser Schriftverständnis unterscheidet sich nur wenig von dem der Salafisten.
Wir sind ethisch nicht gewappnet gegenüber den neuen Herausforderungen und Fragestellungen unserer Zeit.
Und in weiten Teilen ist das evangelikale Christentum so bequem und gemütlich geworden, so sehr eine Geschichte über privaten Erlösung und persönliche  Bereicherung geworden, dass sein Wirkungsgrad nach außen deutlich abgenommen hat.
Ich glaube dieses evangelikale Christentum braucht Korrektur, braucht neuen Wein, neue Ansätze, neue Denkweisen, mutige Gedanken, mutige Prozesse, die gären und reifen und oft auch provozieren.
Und es braucht neue Weinschläuche, neue Strukturen, neue Menschen und neue Gemeinden, die diesem Wein Raum geben, in denen er reifen, sein Aroma entwickeln und zu einem ganz guten und kostbaren Wein werden kann.

Freitag, 11. September 2015

Jesus und der neue Wein 1


 Wir alle wissen, dass Gott klare Absichten hat, einen Plan für diese Welt, einen klaren Willen und einen klaren Weg für das Reich Gottes, also seiner Herrschaft auf dieser Welt.
 Und dort, wo Menschen Teil dieses Planes werden, wo Menschen versuchen das Reich Gottes zu bauen, seine Herrschaft auszubreiten und seinen Willen umzusetzen, nennen wir das Religion.
So entstand zunächst die jüdische Religion als Ausdruck davon, Gottes Willen zu leben
Und danach die christliche Religion als Versuch, das Reich Gottes zu bauen.

Und zu Beginn waren Gottes Wille und die Religion deckungsgleich, aber im Laufe der Jahre hat sich das immer wieder auseinander entwickelt, kam wieder näher zusammen, kam ganz weit weg, näherte sich wieder an usw.
Immer wieder musste Gott korrigierend eingreifen und den Versuch unternehmen, seine Religion zurückzuführen zu seinem Willen und seiner Vorstellung vom Reich Gottes.
Keinesfalls sind also Religion und Gottes Wille immer deckungsgleich!
Ganz besonders die jüdische Religion hat sich immer wieder weit entfernt von Gottes Absichten.
Die alttestamentlichen Propheten sinn voll davon und versuchen immer wieder die Religion des Volkes zurückzuholen zu den Absichten und Plänen Gottes.
So sagt Jeremia: Jer 5:23 Aber dieses Volk hat ein störrisches, trotziges Herz. / Sie wandten sich ab und gingen davon.
Jes. 29:13 Weiter hat der Herr gesagt: "Dieses Volk ist nur mit dem Mund nah bei mir, / es ehrt mich mit den Lippen, aber sein Herz ist weit von mir fort. / Ihre Gottesfurcht ist ohne Wert, weil sie nur auf angelernten, menschlichen Geboten beruht.
An einem ganz bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte der jüdischen Religion tritt nun Gott selbst auf den Plan, indem er Mensch wird und auf diese Welt kommt.
Ca. 30 Jahre lebte Jesus als Jude und wurde Teil dieser jüdischen Religion.

Was findet Jesus vor, als er zu uns kommt?
In welchem Zustand befand sich die jüdische Religion zur Zeit Jesu?
Lag sie auf der geraden Linie der Absicht Gottes oder hatte sie sich weit entfernt davon?
Aus den Berichten des Neuen Testaments erkennen wir, dass es einige gravierende Probleme gab in der jüdischen Religion. Einige davon möchte ich aufzeigen.

1. Erstarrung in Moral
Das vielleicht gravierendste Problem war die Erstarrung der Religion in reine Moral und Gesetzlichkeit.
Die Juden hatten aus dem Alten Testament 613 verschiedene Gebote extrahiert. Sie waren Leitlinien für das Leben.
Zudem bauten sie aber Hunderte von weiteren Geboten um diese biblischen Gebote herum, um diese zu verschärfen, zu verstärken und zu schützen.
Das waren die sog. Satzungen und Gebote der Ältesten.
Zur Zeit Jesu gab es diese vor allem mündlich, erst in späterer Zeit wurden sie dann aufgeschrieben und Teil der Mischna und des Talmud.
Für das normale Volk stellten all diese moralischen Anweisungen ihrer Religion eine ungeheure Last dar.
  Jesus beschreibt das einmal so:
Mt.23, 4 Sie knebeln euch mit unerfüllbaren religiösen Forderungen und tun nicht das Geringste, um euch die Last zu erleichtern.
Und an einer anderen Stelle sagt er:
Mt.11, 28 Ihr plagt euch mit den Geboten, die die Gesetzeslehrer euch auferlegt haben. Kommt alle zu mir; ich will euch die Last abnehmen!
 In diesem Punkt hatte sich die jüdische Religion weit von Gottes Absichten entfernt, denn es war nie seine Idee, ein moralisches Gebäude zu erschaffen.
Gott wollte eine Herzens-und Vertrauensreligion!
Wunderbar beschreibt das der Prophet Hesekiel, wenn Gott durch ihn sagt:
Hes.36,26 Ich will euch ein anderes Herz und einen neuen Geist geben. Ich nehme das versteinerte Herz aus eurer Brust und gebe euch ein lebendiges Herz. 27 Mit meinem Geist erfülle ich euch, damit ihr nach meinen Weisungen lebt, meine Gebote achtet und sie befolgt.
Gehorsams sollte nicht das Resultat rigoroser moralischen Anweisungen und Gesetzlichkeit sein, sondern eine Herzenssache, motiviert vom Geist Gottes.

2. Heuchelei

Eine zweite außerordentlich problematisch Sache in der jüdischen Religion war die Heuchelei.
Die ausgeprägte Gesetzlichkeit, die vielen uneinhaltbaren Gebote und der religiöse Druck, der ausgeübt wurde, führte weite Teile der Bevölkerung in die Heuchelei.
Weil man viele Gebote nicht einhalten konnte, musste man wenigstens so tun, als lebte man nach den Satzungen der Ältesten.
Und so entwickelte sich die jüdische Religion zu einer scheinheiligen, unehrlichen Religion.
Dinge wurden äußerlich eingehalten, aber innerlich hatte sich nichts verändert.
Ständig wurde nach Tricks und Möglichkeiten gesucht, Gebote zu umgehen oder den religiösen Forderungen ein Schnippchen zu schlagen.
Jesus kann sagen:
 Matthäus 24,25: Euch Schriftgelehrten und Pharisäern wird es schlimm ergehen. Ihr Heuchler! Sorgfältig achtet ihr darauf, dass eure Tassen und Teller nach außen sauber sind, doch innerlich seid ihr durch und durch verdorben - voller Missgunst und Maßlosigkeit!
 Gleichzeitig boten die vielen Gebote natürlich auch eine weitere Möglichkeit der Heuchelei, nämlich mehr zu scheinen als man ist, mit der Einhaltung der Gebote anzugeben, sich einen besonderen Anschein der Frömmigkeit zu verpassen.
Und auch diese prahlerische Seite der Religion war weit von dem entfernt, was Gottes Wille und Gottes Absicht darstellte.
Auch hier kann Jesus sagen:
Matthäus 6,5: Und wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler, die sich zum Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken stellen, um von den Leuten gesehen zu werden. Ich sage euch: Sie haben ihren Lohn damit schon erhalten.
 Immer wieder wird diese unehrliche, prahlerische, in die Heimlichkeit treibende Seite der Religion scharf kritisiert, von den Propheten im Alten Testament oder von Jesus im Neuen Testament.

3. Ausgeprägte Machtstrukturen

Eine weitere Fehlentwicklung der damaligen Religion waren die ausgeprägten Machtstrukturen.
Wo bei Gott eigentlich kein Ansehen der Person ist, sondern alle Brüder und Schwestern sind, haben sich in der jüdischen Religion Strukturen entwickelt, die es ermöglichten, dass die einen Macht über die anderen ausüben konnten.
Eigentlich war es Gottes Absicht, dass immer wieder ein Ausgleich stattfindet, das verschuldete Menschen wieder schuldenfrei werden konnten, dass versklavte Menschen wieder frei werden konnten.
Dazu gab es extra die Regel des Sabbatjahres und des Erlassjahres, so dass ein schweres Schicksal nie ein ewiges Schicksal sein würde.
Alle 7 Jahre bzw. vor allem alle 50 Jahre wurden Schulden erlassen, Grundstücke zurückgegeben und Mitbürger aus der Sklaverei entlassen.
Aber diese Praxis des Erlassjahres fand schon lang keine Anwendung mehr im Judentum zur Zeit Jesu.
Menschen kamen aus ihrer Schuld nie mehr heraus, nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder wurden zu Schuldsklaven.
Ein ganz großer Teil der Bevölkerung waren Tagelöhner, was sogar noch niedriger war als Sklaven und hatten keine Chance, je aus diesem Elend herauszukommen.
Denn einem Tagelöhner blieb keine legale Möglichkeit, irgendetwas zu ersparen, sich Besitz zu verschaffen und gesellschaftlich aufzusteigen.
Und gleichzeitig wurde die Religion dominiert von ein paar wenigen Mächtigen, den Sadduzäern und dem jüdischen König, die überhaupt nichts übrig hatten für das einfache Volk und vor allem an ihrem Machterhalt interessiert waren.
Entsprechend gestalteten sie die Religion mit vielen Unterdrückungsmerkmalen und kollaborierten mit den noch Mächtigeren, nämlich den Römern, was in ihrem Gesetz ausdrücklich verboten war.

Auch hier weist Jesus auf den eigentlichen Willen Gottes hin und sagt:
Mk 10:42 Aber Jesus rief sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisset, daß die weltlichen Fürsten herrschen und die Mächtigen unter ihnen haben Gewalt. Aber also soll es unter euch nicht sein. Sondern welcher will groß werden unter euch, der soll euer Diener sein; und welcher unter euch will der Vornehmste werden, der soll aller Knecht sein.
Mt.20, 16 Genauso ist es bei Gott: Viele, die jetzt die Ersten sind, werden die Letzten sein, und die, die jetzt die Letzten sind, werden dann die Ersten sein.«

Das waren jetzt drei Beispiele, wo sich die jüdische Religion weit entfernt hatte von Gottes ursprünglicher Absicht und Gottes Willen.
Jesus trifft also auf eine jüdischen Religion, die in weiten Teilen nicht mehr das abbildete, was Gott sich vorgestellt hatte.
Und natürlich kam Jesus nicht auf die Welt, um diese verirrte Religion zu unterstützen und zu fördern, sondern um sie zu korrigieren und zu erneuern.
 Und aus dem Grund hat Jesus vieles anders gemacht, er hat mit seinem Tun einen Kontrast dargestellt, anders gelehrt und anders gelebt.
Und das führte natürlich zu enormen Spannungen zwischen den Vertretern der Religion und Jesus mit seinen Jüngern.
Immer wieder begegnen wir im Neuen Testament dieser Konfrontation.
Immer wieder muss sich Jesus von den Vertretern der jüdischen Religion Vorwürfe anhören.

So fragen sie ihn Dinge wie:
Warum heilst du am Sabbat? Es gibt doch genug andere Tage, an denen man heilen kann.
Warum wäscht du nicht rituell die Hände vor dem Essen?
Warum gehst du in das Haus eines Sünders?
Warum isst du mit einem Zöllner?
Warum nennst du einen heidnischen Hauptmann frommer als uns?
Warum lässt du dich von einer Frau berühren und warum sprichst mit Frauen?
Warum verurteilst du nicht die Ehebrecherin?
Warum erklärst du unreine Speisen für rein?
Warum lässt du dich von Aussätzigen berühren?
Warum kritisierst du die religiösen Führer?
Warum treibst du die Dämonen nicht so aus wie wir?
Was hast du gegen Reichtum und Wohlstand, der doch ein Segen Gottes ist?

Zusammengefasst kann man sagen:
Immer wieder wurde Jesus gefragt, warum er es nicht so macht wie alle?
Warum muss er die Dinge anders machen?
Warum kann er nicht bei dem bleiben, was überliefert ist und was schon die Thora und die Ältesten lehren?
Warum kann er nicht die alte, gute Religion unterstützen?
Warum bringt er alles durcheinander?


Nun gibt es einen Text, wo Jesus ein für alle Mal eine Antwort gibt auf seine Andersartigkeit.
Eine Antwort, warum er es nicht so macht wie bisher, und warum er in Vielem gegensätzlich handelt als die bisherige Religion.

Seine Antwort im nächsten Blog.

Freitag, 21. August 2015

Bibelverständnis und Beweglichkeit

Immer wieder fällt mir auf, dass unser Bibelverständnis ganz viel mit unsrer denkerischen Beweglichkeit zu tun hat. Je enger oder rigider das Bibelverständnis, desto unbeweglicher sind Menschen.
Ob in Diskussionen, Gesprächen, Bibelstunden oder beim Lesen. Wer ein enges Bibelverständnis hat, tut sich schwer, sich innerlich zu bewegen, sich auf neue Gedanken einzulassen, neues Denken zuzulassen.
Das Bibelverständnis wird zum inneren Über-Ich, zum Zuchtmeister, der mir ständig über die denkerische Schulter schaut und zum erbarmungslosen Zensor. Wir ärgern uns über China oder die Türkei, die ihre Bürger angeblich schützen wollen, indem sie unliebsame Meinungen auf diversen Onlineseiten zensieren oder diese ganz abschalten. Aber oft läuft dasselbe in unserem eigenen Denekn ab. Durch mein enges Bibelverständnis ist meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt und der Speiltaum des Denkes außerordentlich klein.
Besonders krass fällt mir das beim Thema Homosexualität auf. In Diskussionen zum Thema findet sich kaum Bwegeung. Ein enges Bibelverständnis verhindert hier jede Beweglichkeit, bereits im Denken. Es darf garnicht weitergedacht werden geschweige denn Bewegung in die eigene Überzeugung kommen.
Selbst wenn ich durch persönliche Betroffenheit oder eigene Erfahrungen weiterdenken möchte, anders denken möchte, wird jede denkerische Bewegung im Keim erstickt.
Aber genau diese Bewegungslosigkeit hat der Entwicklung der Kirche immer wieder geschadet und ihre Glaubwürdigkeit beschädigt.
Es war die denkerische Unbeweglichkeit der römischen Kurie, die einen Galileo zum Wiederruf zwang. Es war die denkerische Unbeweglichkeit, die manch selbstbewusste Frau auf den Scheiterhaufen brachte. Wir rühmen uns heute oft unsrer Offenheit und Toleranz, aber ich befürchte, dass wir unter der gleichen Bewegungslosigkeit leiden, nur mit anderen Themen.
Es bleibt die spannende Frage, wie ein Bibelverständnis aussieht, dass Gottes Wort ernst nimmt und doch Bewegung zulässt. Als Gemeinde versuchen wir seit längerem diesen Weg zu gehen und ein alternatives Bibelverständnis zu formulieren - nicht fundamenatlistisch und nicht liberal.
Mehr dazu in den kommenden Wochen.

Sonntag, 16. August 2015

Was ist eigentlich Diskriminierung?

Immer wieder ist in der Politik oder in den Medien von Diskriminierung die Rede. Ständig fühlt sich irgendeine Gruppe von irgendjemanden diskriminiert.

Was bedeutet eigentlich Diskriminierung? Wikipedia definiert es so:

Das Wort Diskriminierung stammt von dem aus dem lateinischen Verb discriminare „trennen, absondern, abgrenzen, unterscheiden“ im Spätlateinischen abgeleiteten Verbalsubstantiv discriminatio „Scheidung, Absonderung.“[1] Das Verb diskriminieren wurde im 16. Jahrhundert in der wertneutralen Bedeutung „unterscheiden, sondern, trennen“ ins Deutsche entlehnt und ist dort seit dem 19. Jahrhundert kontinuierlich belegt.[1] Seit dem späten 20. Jahrhundert bedeutet es mit negativer Bewertung „jemanden herabsetzen, benachteiligen, zurücksetzen“, zunächst im Politischen und dann vor allem im sozialen Bereich,[1] während die ältere wertneutrale Bedeutung des Verbs nur noch vereinzelt fachsprachlich erscheint.

Diskriminierung ist schlecht. Menschen von etwas ausschließen ist immer schmerzhaft und stellt eine große Ungerechtigkeit dar. Denken wir nur an die Rassendiskriminierung der Schwarzen in Amerika, an die Apartheid oder den Holocaust.

Aber gleichzeitig nimmt die Angst vor Diskriminierung heute schon bizarre Formen an. Schnell passiert es, das Ungleichbehandlung immer gleich mit Diskriminierung gleichgesetzt wird. Menschen fühlen sich diskriminiert, sobald sie nicht gleich behandelt werden.

Es gibt ein zunehmendes Diktat der Gleichbehandlung, denn alles andere wäre Diskriminierung. Wer sich heute erlaubt, Menschen ungleich zu behandeln, muss sich den Vorwurf der Diskriminierung gefallen lassen.

Und so kommt es, dass auch wichtige Unterschiede von Menschen, Altersunterschiede, Bildungsunterschiede, unterschiedliche gesundheitliche Verfassungen gleich behandelt werden müssen.

Aber genau das kann Menschen auch überfordern. Und es setzt Beteiligte und Betroffene auch oft unter Druck. So muss das geistig behinderte Kind den Platz auf dem Gymnasium bekommen, alles andere wäre diskriminierend. Ist diese Gleichbehandlung aber wirklich geeignet, das behinderte Kind angemessen zu fördern?

Weil Menschen so individuell sind, so unterschiedlich, wird die geforderte Gleichbehandlung eben kontraproduktiv. Wo natürlich ganze Bevölkerungsgruppen anders behandelt werden, weil sie schwarz sind oder Juden, da findet sich ja gerade wieder die Gleichbehandlung, die von den Diskriminierungswächtern so abgelehnt wird.

Insofern ist die Vermeidung von Diskriminierung durch Gleichbehandlung eben eine Michmädchenrechnung. Diskriminierung wird nicht dadurch vermieden, dass man alle gleich behandelt, sondern gerade individuelle Lösungen sucht.

Und wenn dann jemand bewusst andere Bedingungen, Möglichkeiten, Chancen, Grenzen oder Regeln bekommt, dann hat das nicht unbedingt etwas mit Diskriminierung zu tun, sondern mit guter Wahrnehmung und Wertschätzung einzelner Menschen oder Personengruppen.

 

Freitag, 14. August 2015

Elternliebe und Agape

In der Bergpredigt sagt Jesus folgende Sätze: Matthäus 7,9-11:

Ihr Eltern - wenn euch eure Kinder um ein Stück Brot bitten, gebt ihr ihnen dann stattdessen einen Stein?  Oder wenn sie euch um einen Fisch bitten, gebt ihr ihnen eine Schlange? Natürlich nicht!  So schlecht ihr auch seid, ihr wisst doch, was euren Kindern gut tut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten.«
Jesus spricht in diesem Abschnitt über das Gebet und macht bewusst einen Vergleich:
Er vergleicht Eltern, die von ihren Kindern um etwas gebeten werden mit Gott, der von den Gläubigen um etwas gebeten wird. Es scheint also legitim zu sein das Empfinden und die Fürsorge der Eltern mit der von Gott zu vergleichen. Jesus malt den Zuhörern das fürsorgliche Verhalten von Eltern vor Augen.
Wenn ihre Kinder Hunger haben und um Essen bitten, verstehen Eltern dieses Grundbedürfnis ihrer Kinder, nehmen den Hunger war, leisten Fürsorge und verweigern nicht das Essen, geschweige denn geben anstatt Essen schlechte Sachen an ihre Kinder.

Jesus will sagen: Schaut euch euer menschliches Mitgefühl, eurer menschliche Fürsorge, eure menschliche Liebe zu euren Kindern an, und dann habt ihr eine kleine Ahnung vom Mitgefühl, von der Fürsorge und der Liebe Gottes.

11 So schlecht ihr auch seid, ihr wisst doch, was euren Kindern gut tut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten.«
Wir dürfen von unseren positiven und liebevollen Gefühlen ausgehen und sie mit Gottes Empfinden vergleichen. Was wir an positiven Empfindungen bei uns entdecken, genau das ist auch bei Gott vorhanden, aber in unvergleichlich größere Masse.
fotocommunity.de, Karl Koczera

Nach 22 Jahren Pause bin ich vor zehn Monaten noch einmal Vater geworden.  Und mir ist noch einmal bewusst geworden, was ein neugeborenes Kind mit einem macht. Da kommt man mit diesem Neugeborenen nachhause und staunt über dieses neue Leben. Und schon nach ganz kurzer Zeit in der sich eine Beziehung zu diesem neuen Menschen entwickelt. Es geschieht etwas eigenartiges: Man entwickelt eine ungeheure Liebe zu diesem Kind. Für nichts in der Welt würde man dieses Kind wieder hergeben und es wäre ein absolutes Trauma, wenn dieses Kind, das jetzt vielleicht vier oder acht oder zwölf Wochen alt ist krank werden würde oder sogar sterben. Obwohl es dieses Kind zuvor gar nicht gab, würde man es jetzt niemals mehr hergeben und entdeckt in sich eine Quelle, ein Reservoir an Liebe für dieses Kind, das es vorher gar nicht gab. Irgendwo kommt diese Liebe plötzlich her. Man sitzt neben diesem Babybettchen, riecht die Haare, schaut in diese Augen, wechselt die Windel und empfindet ein Meer an Zuneigung
Und wenn man sich das bewusst macht, wird einem klar, dass es bedingungslose Liebe ist.
Ein Säugling kann nichts leisten, unserer Liebe keinen Grund liefern, uns nicht motivieren zu lieben und kann keine Bedingungen erfüllen. Er spendet auch keine Liebe oder geht auf uns ein. Er schenkt uns am Anfang nicht einmal ein Lächeln.
Und doch lieben wir unsere Säuglinge von Herzen und würden unser Leben für sie geben. Trotz des Schreiens, der Arbeit und den durchwachten Nächten.
Dieses Neugeborene erbringt ja noch keinerlei Leistung, sondern macht nur Arbeit. Es ist beschwerlich, raubt uns Schlaf, Kraft und Geld.
Aber diese Liebe zu einem Kind ist von besonderer Qualität!
Sie muss vom Kind nicht motiviert werden.
Sie braucht kein spezielles Verhalten oder Anständigkeit als Auslöser.
Diese Liebe ist nicht die Reaktion auf das liebenswerte Verhalten des Kindes, sondern diese Liebe stellt den unendlichen Wert dieses Kindes fest, ganz ohne dessen Leistung, ohne dessen Arbeit, Pflichterfüllung, Erfolg oder moralisches Verhalten. Die Liebe zu einem Baby ist bedingungslose, schenkende, gönnende Liebe.

Und genau darin gleicht unsere Liebe der Liebe Gottes.
Das Neue Testament nennt diese Liebe Agape. Wir dürfen uns Gott gegenüber wie Säuglinge sehen: ohne Leistung, ohne Grund den wir liefern müssen, mit vielen Bedürfnissen, hilflos, anstrengend und doch unendlich geliebt. Dieser Gott gibt sogar sein Leben für uns.
Normalerweise ist unsere Liebe, die die Bibel Eros nennt, vom Wert ihres Gegenübers abhängig und motiviert. Eros bemisst den Wert eines anderen Menschen und liebt entsprechend, je nachdem wie liebenswert jemand ist.
Eros ist das Streben nach dem, was einem fehlt und was man braucht.
Agape hingegen ist gönnende, schenkende Liebe, sie ist zuvorkommend, der andere kommt zuerst!

Der Mensch liebt normalerweise, wenn er etwas Liebenswertes vorfindet.
Gott liebt und stellt damit beim anderen ewigen Wert her.

Eros ist Reaktion auf einen Liebesimpuls. Fehlt dieser Impuls, kann auch nicht geliebt werden. Gott braucht keinen Liebesimpuls, um zu lieben.
Dementsprechend kann Gottes Liebe auch nicht gesteigert werden. Anständigkeit oder Gehorsam oder Anbetung steigern nicht die Liebe Gottes zu uns. Gott braucht keinen Grund um uns zu lieben! Keinen Auslöser! Daher kann man Gottes Liebe auch nicht verdienen. Genauso wenig verlieren!
Gottes Liebe ist vorausgehende Liebe. Sie folgt keinem Auslöser, keinem Grund, keiner menschlichen Anstrengung nach. Sie ist bereits da!
Agape ist im wahrsten Sinne des Wortes Feindesliebe. Diese Liebe kann auch den Feind lieben, weil sie nichts Liebenswertes oder Freundschaftliches vorfinden muss, um lieben zu können. Für Eros ist Feindesliebe vollkommen unmöglich, weil sie am Feind nichts Liebenswertes findet, sonst wäre es ja kein Feind. Eros ist Liebe mit Absicht, mit Hoffnung und Erwartung.
Agape ist Liebe, die sich verschenkt, die nicht das Ihre sucht und die keine Erwartungen hat.

Vielleicht hat Gott uns Eltern diese Agape-Fähigkeit ihren Neugeborenen gegenüber geschenkt, um uns eine Erinnerung an seine Agape zu schenken. Denn diese bedingungslose, gönnende Liebe zu einem Säugling ist ein wunderbares Abbild für Gottes bedingungslose und gönnende Liebe zu uns, einfach noch unbeschreiblich stärker.

Und natürlich gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, sich Gottes Liebe zu vergegenwärtigen. Und natürlich ist das auch für Menschen möglich, die keine Kinder haben. Aber nicht umsonst will Jesus den Vergleich zwischen Elternliebe und Gottesliebe. Und nicht umsonst wird Gott im Neuen Testament hauptsächlich als Vater bezeichnet.