Mittwoch, 18. Dezember 2019

Was Jesus über John Wick denkt

Gestern hatte ich einen freien Abend. Meine Frau war mit Freundinnen unterwegs und ich konnte einen Film anschauen, den sie sicher nicht mit mir ansehen würde: John Wick 3. Die ersten beiden Teile hatte ich bereits gesehen und nun war der dritte Teil dran.
Beim Ansehen waren die Darstellungen der Gewalt, das Spritzen des Blutes, das Erschießen und Erstechen zum Teil so drastisch, dass ich tatsächlich zwischendurch wegschauen musste oder die Augen schließen. Da werden Dutzende von Menschen erschossen, mit Messern unzählige Feinde nacheinander abgestochen und mit einfachsten Waffen regelrecht abgeschlachtet. Bei den ersten zwei Teilen fand ich das nicht ganz so krass. Vielleicht war meine Seele gestern auch einfach in einem empfindsameren Zustand.
Ich habe mich danach gefragt, ob nicht nur meine Frau, sondern auch Jesus sich geweigert hätte, diesen Film mit mir anzuschauen. Mir ist schon klar, dass diese Frage, ob Jesus etwas mit uns tun würde, immer hinkt. Aber falls Jesus tatsächlich eine Zeit lang meinen Alltag mit mir teilen würde, mit welchen Teilen davon hätte er seine Mühe?
Ich habe mir dann überlegt, ob er grundsätzlich einen Krimi mit mir anschauen würde? Hätte er Interesse daran, das Töten von Menschen anzusehen oder das spätere Aufklären von Morden? „ Du sollst nicht töten“ ist ein zentrales Gebot, Morden ist Sünde. Möchte Jesus sich sowas ansehen?
Mit diesen Gedanken bin ich dann eingeschlafen und interessanterweise auch wieder aufgewacht. Jesus und das Betrachten von Gewalt hat mich beschäftigt.
Nach dem Frühstück habe ich mir dann Zeit genommen für meine klassische Bibellektüre, wo ich gerade das zweite Samuelbuch lese. Mit John Wick im Hintergrund begann ich meinen entsprechenden Tagesabschnitte zu lesen. Ich zitiere hier einige Verse, die ich dann gelesen habe:
2.Samuel 23: Davids Elitetruppe
8 Es folgen die Namen der Elitetruppe Davids: Jischbaal aus der Sippe Hachmoni, Anführer der Wagenkämpfer. Er schwang seinen Speer über 800 Mann, die er in einer Schlacht durchbohrte. 9 Der zweite nach ihm war Eleasar Ben-Dodo, ein Nachkomme Ahoachs. Er war einer der drei, die David bei sich hatte, als sie die Philister verhöhnten, die sich dort zum Kampf versammelt hatten. Als die Männer Israels sich zurückzogen, 10 stand er aufrecht und schlug auf die Philister ein, bis sein Arm erlahmte und seine Hand am Schwert kleben blieb. So schenkte Jahwe damals einen großen Sieg... 12 Schamma stellte sich mitten in das Feldstück, entriss es den Philistern und schlug sie. So schaffte Jahwe eine große Rettung. ... 18 Abischai Ben-Zeruja, der Bruder Joabs, war der Anführer der Dreißig und hochgeachtet unter ihnen. Er tötete 300 Feinde mit dem Speer 19 und war angesehener als die Dreißig. ... 21 Er war es auch, der den gewaltigen mit einem Speer bewaffneten Ägypter erschlug. Mit einem Stock ging er zu dem Ägypter hinunter, riss ihm den Speer aus der Hand und durchbohrte ihn damit.

Gestern schaue ich John Wick und heute lese ich von Davids Helden. Der Berühmteste ersticht in einer Schlacht 800 Mann. John Wick kam höchstens auf 100 Tote im ganzen Film. Während die anderen sich vom Kampf zurückziehen, kämpft ein weiterer Held Davids unerbittlich, bis sein Arm lahm wird uns seine Hand durch das viel Blut am Schwert kleben bleibt. Erinnert in der Tat sehr an Szenen vom Abend zuvor.
Der Nächste tötet 300 Mann mit einem Speer, ein andere reißt dem Feind die Waffe aus der Hand und tötet ihn mit derselben. Das ist bei John Wick Standard. In der Anfangsszene entreißt er einem Feind ein Buch und tötet ihn mit demselben.

Meine Seele sagt mir, dass Jesus keine sonderliche Freude an den Gewaltexzessen eines John Wick hätte und gleichzeitig klingt meine Stille Zeit aus dem Samuelbuch wie Szenen für John Wick 4.

Was ist denn da los? Momengan lese ich das Buch von Marion Küstenmacher: Gott 9.0 - Sie schildert darin die verschiedenen Entwicklungsstufen des Individuums, der Gemeinschaft und der Gesellschaft und auch die unterschiedlichen Gottesvorstellungen seit Anbeginn der Menschheit.
Sie macht deutlich, dass die verschiedenen Entwicklungsstufen zeitlich in unserer Welt aufeinanderfolgen und gleichzeitig allesamt in uns selbst vorhanden sind. In der Bibel finden sich Aussagen und Texte die von Gott 1.0 bis Gott 8.0 reichen. Damit soll nicht zum Ausdruck kommen, dass Gott selbst sich entwickelt, sondern dass unterschiedliche Stufen von menschlichem Bewusstsein auch unterschiedliche Gottesvorstellungen hervorbringen.
John Wick und 2. Samuel bewegen sich auf Stufe 3.0. und auch die Gottesvorstellung dahinter ist Gott 3.0. Küstenmacher schreibt:

Gott 3.0: Kriegsgott Jahwe
Auch Jahwe, der Gott Israels, ist ein roter Kriegsgott, der mit Sturm, Gewitter und Erdbeben einherfährt. Er ist kriegerisch, leidenschaftlich, rachsüchtig, manchmal unberechenbar und unfassbar grausam, dann wieder voll zärtlicher Zuwendung gegenüber seinem Volk. Er brüllt wie ein Löwe (Joel 4, 16), er schlägt mit dem Stock (Jesaja 30, 31), er stößt die Feinde »aus ihrem Land in großem Zorn, voller Grimm und ohne Erbarmen« (5. Mose/ Deuteronomium 29, 27). So grausam das alles klingt, dieser Jahwe ist den ebenso blutrünstigen ROTEN Göttern anderer Volksgruppen ringsum auf jeden Fall gewachsen. ... Spiegelbildlich dazu verhalten sich die Anführer des Volkes Israel, allen voran die ROTEN Helden des Richterbuchs: archaische Raufbolde und Haudegen wie Gideon und Simson, die über bemerkenswerte physische Kräfte verfügen und sie hemmungslos einsetzen. ROT verkörpern auch listige Frauen wie Delila, die hilft, Simson zu Fall zu bringen, indem sie sein Vertrauen missbraucht. Oder Jaël, die dem schlafenden Feldhauptmann Sisera einen Pflock durch die Schläfe bohrt (Richter 4, 1-2).

Mir hilft dieser Ansatz, nicht alle Aussagen und Szenen in der Bibel auf einer Stufe sehen zu müssen. Verschiedene biblische Texte spiegeln verschiedenen Bewusstseinsstufen und auch Gottesvorstellungen wieder. Und es ist gut, dass die Bibel das so macht, denn alle Stufen finde ich ihn mir selbst wieder, alle haben ihre Berechtigung und ihre Versuchungen in mir. Ich bin mit meinem ganzen Leben, alle Lebenserfahrungen und allen inneren Impulsen in dieser Bibel aufgehoben, weil alles vorkommt. Und gleichzeitig entdecke ich, wohin ich mich entwickeln darf, welches Potenzial und welche Veränderung auf mich wartet.
Jesus als vollkommene Offenbarung des Charakters Gottes weißt mir hier den Weg.

Ich stehe bei dem Buch von Küstenmacher erst am Anfang. Weitere Erkenntnis werde ich hier in meinem Blog versuchen zu formulieren.

Freitag, 6. Dezember 2019

Hannanias und Saphira - ein Gastkommentar

Vor einiger Zeit habe ich auf meinem Podcast dazu eingeladen, Beiträge zu liefern für die Auslegung dieser schwierigen Bibelstelle über hannanias und Saphira in der Apostelgeschichte.
Die entsprechenden Podcasts findet man hier und hier.

Hier nochmals die Bibelstelle dazu:
Apg.5,1-11
1 Auch ein Mann namens Hananias und seine Frau Saphira verkauften ein Stück Land, 2 und Hananias stellte ´der Gemeinde` einen Teil des Erlöses zur Verfügung. Aber mit dem Einverständnis seiner Frau gab er diesen Betrag als Gesamterlös aus, während er in Wirklichkeit einen Teil für sich behielt. Als er das Geld vor den Aposteln niederlegte, 3 sagte Petrus zu ihm: »Hananias, warum hast du dein Herz dem Satan geöffnet und dich von ihm dazu verführen lassen, den Heiligen Geist zu belügen? Warum hast du uns verheimlicht, dass du einen Teil vom Erlös deines Grundstücks für dich behalten hast? 4 Niemand hat dich gezwungen, das Land zu verkaufen; es war ja dein Eigentum! Und nach dem Verkauf stand es dir frei, mit dem Erlös zu machen, was du wolltest. Was hat dich nur dazu gebracht, so zu handeln? Du hast nicht Menschen belogen, sondern Gott!« 5 Als Hananias diese Worte hörte, brach er tot zusammen. Es war ein Ende, das bei allen, die davon erfuhren, tiefes Erschrecken auslöste. 6 Einige junge Männer ´unter den Versammelten` traten zu dem Leichnam, wickelten ihn in ein Tuch und trugen ihn hinaus, um ihn zu begraben. 7 Nachdem etwa drei Stunden vergangen waren, kam die Frau von Hananias. Sie wusste nichts von dem, was geschehen war. 8 »Sag mir«, fragte Petrus sie, »ist das der volle Betrag, den ihr für euer Grundstück bekommen habt?« – »Ja«, erwiderte Saphira, »das ist der volle Betrag.« 9 Da sagte Petrus zu ihr: »Warum seid ihr beiden übereingekommen, den Geist des Herrn herauszufordern? Hörst du die Schritte vor der Tür? Die Leute, die deinen Mann begraben haben, ´kommen gerade zurück`. Sie werden auch dich hinaustragen.« 10 Im selben Augenblick sank Saphira zu Boden und starb, und als die Männer hereinkamen, sahen sie ihren Leichnam zu Petrus’ Füßen liegen. Da trugen sie sie ebenfalls hinaus und begruben sie an der Seite ihres Mannes. 11 Eine tiefe Ehrfurcht vor Gott ergriff die ganze Gemeinde, und genauso erging es allen, die von diesem Vorfall erfuhren. (NGÜ)


Britta hat mir nun eine längere E-Mail geschrieben mit ihren Gedanken zu diesen Text, die ich hier mit ihrer Erlaubnis einfach einmal Abdrucke, weil ich ihre Gedanken interessant fand und mich so manches inspiriert hat:


Hallo lieber Martin,
danke für die Einladung zum „Mitmischen“ : ) Ich wollte mich schon auf deine erste Aufforderung hin melden, hab dann aber auch erst die Ferien genossen und es dann vergessen...

Der Text ist mir so wie dir ganz neu nah, unter die Haut und auch lange nachgegangen!
Danke für die Herausforderung!

Mir ging es früher ähnlich, dass mich die Geschichte erstaunlich kalt gelassen hat - zumindest oberflächlich... unter der Oberfläche brodelten sicherlich viele Fragen, die ich mir aber damals nicht erlaubt habe zu stellen, aus Angst, damit auf „die falsche Seite“ zu rutschen - also quasi die unbewusste bzw. mehr oder weniger bewusste „Heuchelei“ eines ängstlichen Teenagers, der sich verzweifelt bemüht, es richtig zu machen, um in den Himmel zu kommen...
Gott sei Dank hatte ich damals noch keinen Acker 😅

Danke für dein Erschrecken und dein Ringen und dass du dir den “charmanten Gedanken”, dass wir es letztlich nicht im Griff haben, brauchen, müssen, sollen,... zu Herzen nimmst.
Der hat mich auch getroffen, denn ich ringe letztlich auch immer wieder um Sicherheit, wenn ich das Reich Gottes betrachte und nach seinem tieferen Sinn, einer immergültigen Antwort und dem “richtigen” Glauben suche. Das ist wohl einfach sehr menschlich, auch wenn mir inzwischen auch das große Geheimnis und das Nichtwissen immer kostbarer wird.

Beim Kauen der Geschichte sind mir zunächst zwei Dinge wichtig geworden:

Zum einen die Freiheit, die Petrus betont!
Es geht und ging nicht darum, dass alle dasselbe tun und geben mussten, nur weil “die anderen” in ihrem (anfänglichen?) überschwänglichen, Geist-erfüllten “Glaubensrausch” solche bewundernswerten Taten der Hingabe vollbracht haben.
Es ist ein nachträgliches und sicher für alle sehr wichtiges “Du musst das nicht! Niemand verlangt das von dir! Was dein ist, ist dein und du darfst davon geben, soviel du willst und kannst!”
Es erinnert mich total an Gottes Aufruf an sein Volk in der Wüste, von ihren Schätzen aus Ägypten für den Bau der Stiftshütte zu geben - jeder, was er/sie will - F R E I W I L L I G ! ! ! - Und dann heißt es, dass mehr als genug zusammen kam!

Und Paulus’ “einen fröhlichen Geber hat Gott lieb” klingt da natürlich auch mit, wobei auch bei ihm die Freiwilligkeit vornean steht.
D.h. ich muss mein Zähneknirschen nicht in ein fröhliches Lächeln verpacken, sondern darf einfach ehrlich sein, wie es um mich steht, was ich will und was nicht, was ich schon kann und was noch nicht.
Das erfordert allerdings eine ganz schöne innere Reife, finde ich!!
Es fällt mir spoantan immer noch sehr schwer zu sagen, was ich wirklich will...

Es geht Petrus - und Gott - auf keinen Fall um eine Massen-Dynamik, geschweige denn um Manipulation, in der alle dasselbe tun müssen, um dazu zu gehören.
Wie tröstlich!!

Das zweite, was mich - auf den zweiten oder dritten Blick - berührt und getröstet hat, war/ist das Entsetzen der Umstehenden!
Es gibt hier keine eiskalte Verurteilung!
Kein “war ja klar” oder “das haben sie verdient”: kein „Im Namen Gottes/Jesu hinweg mit euch“!

Barmherzigkeit (im Sinne von Mitfühlen Können) ist eine Geistesfrucht, die denk ich lange wachsen und reifen muss...
Solange wir nicht mitfühlen können - aus welchem Grund auch immer - haben wir kaum Erbarmen mit den Armen und folglich auch nicht mit dem Armen, Kleinen und Hilflosen in uns selbst.

Es gab in der jungen Gemeinde Menschen, die so vom Erbarmen gepackt wurden (und vielleicht ja auch dachten, dass Geld eh bald keine Rolle mehr spielen würde, weil sie glaubten, dass Jesus demnächst wiederkommen würde), dass es ihnen nicht schwer fiel, sich von ihrem Besitz zu lösen, um ihn mit den (ärmeren) Geschwistern zu teilen.
Interessant wäre zu erfahren, ob nicht einige später genau solche H&S-Gedanken gehegt haben, als die Hungersnot in Jerusalem begann (wohl ein sehr menschliches „hätte ich doch einen Teil behalten“, „hätte ich nur meinen Acker noch...“).

Spannend ist ja die Dreiteilung (oder sogar Vier-?) dieser gesamten „Hingabe-Erzählung“, die ja schon im Kapitel 4 beginnt. Das neue Kapitel versteckt diesen Zusammenhang eher ein bisschen, finde ich.
Zuerst geht es um allgemeine Gläubige, die ihren Besitz verkaufen und hingeben. (Das ist allerdings auch schon eine Wiederholung des Berichts aus Apg 2,42 ff!)

Als zweites wird über die Hingabe einer Einzelperson berichtet: Joseph, ein Levit!
Sehr inhaltsstarker Name bzw Stammeszugehörigkeit! Joseph hat das Minivolk Jakobs (70 Männer) nach Ägypten geführt und Mose, ein Levit, das großgewordene Volk Israel (600000 Männer) aus Ägypten heraus. Und da war es noch sehr unreif! Eine Art Baby.
(Joseph und Mose hingegen sind beide in Ägypten und im Gefängnis bzw der Wüste zu reifen Männern geworden, die sich um die Not anderer kümmern!)

Als nächstes tauchen Hannanias und Saphira auf. Wieder finde ich es spannend, genauer auf die Namen zu schauen. In beiden klingt evtl das irdische Vermögen an!

Kann das ein Hinweis darauf sein, dass es zu echter Barmherzigkeit und Hingabe eine Reife braucht, die ein „vermögendes Leben“, also ein Leben im Wohlstand nicht in uns hervorbringen kann?

H&S scheinen noch nicht wirklich verstanden zu haben, worum es Jesus geht.
Vielleicht brauchten sie noch nie Gnade oder das Mitgefühl anderer?
Mit ihrer inneren Haltung - abgespalten von der äußeren, scheinbaren, „korrekten“ Haltung - zeigen sie, dass das, was die gute Nachricht eigentlich so lebendig macht, noch tot ist in ihnen.
Ihnen fehlt noch eine „Auferstehung“ von den Toten. Sie leben noch im „toten Vermögens-Glauben“. Sie sind noch tot und nicht lebendig.
Haben sie womöglich selber das Urteil über sich gesprochen („ohne soundsoviel Vermögen sterben wir wahrscheinlich, da kann/wird uns auch Gott nicht vor bewahren“ oder so?)?

Und jetzt geht‘s mir selber ans Leder... Denn es geht ja letztlich immer um die Einladung des Splitters, mich zu meinem Balken umzudrehen und ihn mal eingehend zu betrachten ; )

Ist die Geschichte der beiden eine Erklärung für mich, dass ich so lange „gläubig“ war (was hab ich früher gedacht, an was für einen Gott ich glauben MUSS ?!?) und mich trotzdem so tot gefühlt habe (erst seit der Lebensmitte habe ich das Gefühl, lebendiger zu werden ; )?

Was von H&S steckt mir - noch immer, auch nach fast 40 frommen Jahren und zig Bekehrungen... - in den Knochen?
Von ihrer Heuchelei und der darunter liegenden Angst vor dem Zu-kurz-Kommen, vor dem Sterben, vor dem Außen-vor-Bleiben, vor Gottes Verdammnis?!

UND was steckt in mir AUCH an Sehnsucht, so barmherzig und hingebungsvoll sein zu können wie Joseph, der Levit und die anderen?!

Und wieviel inneres Erschrecken und Entsetzen darüber, dass ich - noch immer - so ein gespaltener Mensch bin, so hin und her gerissen zwischen den beiden Reichen?!

Und was für eine große Sehnsucht nach (Über)Leben, nach Echtsein, nach der Lebens-Fülle, die Jesus verheißt?!

Für mich folgt daraus die Erkenntnis, dass ich offensichtlich auch noch ganz schön klein und unreif bin, dass in mir etwas Armes, Bedürtiges steckt, das bekennen muss und kann:
Ich bin noch gar nicht so weit. Punkt.
ICH brauche darum einen barmherzigen Gott, der mich tiefer sieht, um mich weiß und mich genau so liebt.
Und der zu mir sagt:
Hey, gib doch einfach das, was du wirklich geben willst - vielleicht ist das schon viel mehr als du dachtest : ) Kümmer dich nicht um das, was die anderen geben, sondern gib Deins!

Wenn ich doch immer so barmherzig mit mir sein könnte! Ich lerne...

Zuletzt habe ich heute noch eine Entdeckung gemacht:
Das Wort, das hier beide Male - für H‘ & S‘ - für das Sterben verwendet wird, ist nicht eins der üblichen Worte, sondern „ekpsucho“, in der Elberfelder mit „verscheiden“ übersetzt.
Dieses Wort kommt nur an dieser Stelle und beim von dir ja auch erwähnten Tod des Herodes vor! Das hat doch bestimmt eine tiefere Bedeutung!!

Die Männer bringen Hannanias und Saphira nach dr-außen - dahin, wo sie eigentlich (innerlich) noch sind.
Das bedeutet für mich allerdings nicht, dass damit alles für sie für immer und endlos aus ist! Sie müssen vielleicht „nur“ erst einmal ihrer verborgenen/„ewigen“ Heuchelei und Leblosigkeit begegnen, um Jesus wirklich kennen lernen zu können.

Vielleicht bedeutet das Sterben auch eine Art göttliches:
„Hey, wir müssen reden! Irgendwas habt ihr da bisher völlig missverstanden! Lass mich dir helfen, es zu verstehen. Dafür musst du allerdings die (deine!) andere Seite der Medaille für eine Weile kennenlernen“?!

Gerade dass in dem Wort ekpsucho offensichtlich das Weggehen ihrer Seele steckt, könnte ein Hinweis darauf sein.

Es gibt offensichtlich auch in mir noch einen H&S-Teil, der die Botschaft Jesu immer noch nicht wirklich verstanden hat, der noch etwas braucht, der noch eine Runde lernen muss bzw darf!

Ob die Geschichte „in Echt“ passiert ist oder nur eine Art Gleichnis ist?
Ich könnte mir vorstellen, dass die Antwort schlicht JA  lautet : ) Die Atmosphäre in der ersten Gemeinde war womöglich wirklich so echt, so von der Klarheit und Liebe Gottes durchdrungen, so heilig und im Grunde himmlisch, dass so eine zwiespältige Haltung nicht aufrecht stehen bleiben konnte, sondern zerbrechen musste...
Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass die Art zu erzählen damals viel Bild-hafter war als unsere westliche heute.

Und ich weiß heute, dass die Geschichte zutiefst WAHR ist, denn ich finde sie IN MIR wieder!

Donnerstag, 21. November 2019

Gedanken zum Reinigungsopfer der Maria

Luk 2:22  Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetze Moses vollendet waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen,
Luk 2:23  wie im Gesetze des Herrn geschrieben steht: «Alle männliche Erstgeburt soll dem Herrn geheiligt heißen»,
Luk 2:24  und um ein Opfer darzubringen, wie im Gesetze des Herrn geboten ist, ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.

Nach der Geburt eines Kindes galt eine Frau zunächst als unrein. Bei einem Sohn für sieben Tage, bei einer Tochter für 14 Tage unrein.
Diese Unreinheit bedurfte wiederum einer Reinugungsphase: bei der Geburt eines Jungen 40 Tage lang, bei der Geburt eines Mädchens 80 Tage lang.
Erst danach durfte die Frau wieder aus dem Haus gehen und auch den Tempel besuchen. Erst nach Verlauf der 40, bezw. der 80 Tage hatte sie ein einjähriges Lamm als Brandopfer u. eine junge Taube oder eine Turteltaube als Sündopfer zum Eingang des Tempels — nach der Tradition an das Nikanortorb auf der Ostseite des Frauenvorhofs — zum Priester zu bringen. Nun berichtet uns der Text aber, dass Maria und Josef kein Lamm brachten, sondern ein paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. Warum das? Lesen wir in Levitikus nach:
Lev 12:6  Wenn die Zeit ihrer Reinigung für einen Sohn oder eine Tochter vorbei ist, soll sie ein einjähriges Lamm als Brandopfer und eine Taube oder eine Turteltaube als Sündopfer zum Priester an den Eingang zum Zelt der Gottesbegegnung bringen.
Lev 12:8  Reichen ihre Mittel für ein Schaf aber nicht aus, soll sie zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben bringen, eine zum Brandopfer und eine zum Sündopfer.
Dieses Taubenopfer wurde auch schlicht das „Armenopfer“ genannt. Es war eine Sonderregelung für Menschen, die sich nicht einmal ein Lamm leisten konnten. Um sie nicht durch das notwendige Opfer in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen, durften sie anstelle des Lammes auch eine Taube als Opfer bringen.
Wenn ich an Marias und Josefs Stelle gewesen wäre hätte ich mich wahrscheinlich gefragt: da soll ich den Retter, den Messias zur Welt bringen, bin von Gott auserwählt und gesegnet, und kann mir am Ende nicht einmal ein normales Opfer leisten. Wo bleibt denn da Gottes Hilfe, wo bleibt denn da seine Versorgung? Hätte er mit dem Messias nicht auch Reichtum in mein Leben bringen können?
Ich bewundere Maria, wie sie nicht mit ihrer Aufgabe hadert, selbst wenn nicht alle Bereiche blühen, ihre finanzielle Situation schwierig ist, ihr Ruf geschädigt und trotzdem bleibt sie Gott und seinem Auftrag für ihr Leben treu.
Ich merke dann, wie ich schnell mit Gott hadere, wenn nicht alle meine Erwartungen an ein gutes Leben in Erfüllung gehen. Innerlich bin ich oft am Verhandeln mit Gott, dass ich dann bereit bin seine Aufgaben zu erfüllen, wenn er im Gegenzug alles in meinem Leben in Ordnung bringt.

Gedanken zur Verlobung von Josef und Maria

Mt. 1,18 Es folgt die Geschichte der Geburt von Jesus, dem Messias: Seine Mutter Maria war mit Josef verlobt. Da stellte sich heraus, dass Maria ein Kind erwartete, obwohl sie noch nicht miteinander geschlafen hatten. Sie war durch den Heiligen Geist schwanger geworden. 19 Josef, der schon als ihr Ehemann galt, war ein gewissenhafter und gottesfürchtiger Mann. Er nahm sich deshalb vor, den Ehevertrag stillschweigend rückgängig zu machen, um sie nicht bloßzustellen. 20 Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum. "Josef", sagte er, "du Sohn Davids, zögere nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen. Denn das Kind, das sie erwartet, stammt vom Heiligen Geist. 21 Sie wird einen Sohn zur Welt bringen, den du Jesus, Retter, nennen sollst, denn er wird sein Volk von seinen Sünden befreien.

Der Text redet davon, dass Josef und Maria verlobt waren. Wie muss man sich das vorstellen? Zur damaligen Zeit war es üblich, dass die Brauteltern mit dem Bräutigam oder dessen Eltern einen Ehevertrag abschlossen. Dabei wurde den Brauteltern ein Brautpreis überlassen, womit die Braut in die Familie und das Haus des Bräutigams übergegangen ist. Mit dem Abschluss dieses Ehevertrages waren der Mann und die Frau miteinander verlobt und der Ehevertrag war bereits rechtsgültig. Normalerweise wartete man aber mit der Heimholung der Braut in das Haus des Bräutigams ein Jahr, um sicherzustellen, dass die Braut auch wirklich noch Jungfrau war. Wäre ihr in diesem Jahr durch einen immer größer werdenden Bauch eine Schwangerschaft nachgewiesen worden, so wäre klar gewesen, dass sie vor dem Abschluss des Ehevertrags von jemand anderem geschwängert worden wäre und damit keine Jungfrau mehr war. So konnte man den Ehevertrag wieder auflösen und im zweiten Schritt die Braut auch vor Gericht stellen wegen Unzucht.
Bei Maria hat es sich nun genauso abgespielt. Sie befand sich als Verlobte in diesem Wartejahr und Josef hatte sie noch nicht in sein Haus geholt. Und genau jetzt muss Maria ihren Verlobten offenbaren, dass sie schwanger ist.
An der Reaktion von Josef wird zweierlei deutlich: seine Aufrichtigkeit und auch seine Barmherzigkeit. Da Josef natürlich nicht von einer Schwangerschaft durch den Heiligen Geist ausgegangen ist, brachte er seine Enttäuschung über die nicht von ihm stammende Schwangerschaft dadurch zum Ausdruck, dass er die Ehe auflösen wollte. Er wollte dies aber stillschweigend ohne Einbezug der Öffentlichkeit tun, damit Maria nicht vor Gericht gestellt würde und je nach Richter ernsthafte Konsequenzen bis zur Todesstrafe hätten erleiden müssen. Josef lässt hier Barmherzigkeit vor Recht geschehen. Das ist sicher seiner Liebe zu Maria, aber auch seiner großen Barmherzigkeit geschuldet. Dies macht auch deutlich in welcher Familienatmosphäre Jesus aufgewachsen ist. Hier herrschte nicht strenge Gesetzlichkeit, wo ohne Rücksicht auf Verluste das Gesetz bis zum letzten durchgezogen wurde, sondern Jesus hatte einen Vater, der um der Liebe willen Gnade vor Recht ergehen ließ. So wurde unser Herr nicht nur von seinem barmherzigen himmlischen Vater, sondern auch von seinem barmherzigen irdischen Vater geprägt.

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Warum nicht den Sekt mitbringen?


Einige Gedanken zu den drei bekannten Gleichnissen vom verlorenen Schaf, der verlorenen Münze und dem verlorenen Sohn in Lukas 15:

Drei Verse sind mir in diesem Kapitel besonders ins Auge gesprungen, auf die ich bisher wenig Augenmerk gelegt habe:
V 6 Dann ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: 'Freut euch mit mir! Ich habe mein verlorenes Schaf wiedergefunden!'
V 9 Und wenn sie sie dann gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt zu ihnen: 'Freut euch mit mir! Ich habe die verlorene Drachme wiedergefunden!'
V 32 Jetzt mussten wir doch feiern und uns freuen! Denn dein Bruder war tot und ist ins Leben zurückgekommen, er war verloren und ist nun wiedergefunden.'"

Es ist für uns ein ungewöhnlicher Gedanke, dass ein Hirte oder eine Hausfrau beim Wiederfinden einer wertvollen Sache gleich den Nachbarn Bescheid gibt, um mit ihnen ihre Freude zu teilen. Stellt euch vor, ihr habt einen Ohrring (oder die TV Fernbedienung als Mann... ;-) verloren und nach längerer Suche findet ihr sie wieder. Wer würde da bei den Nachbarn klingeln und ihnen von der Freude des Wiederfindens berichten und noch gleich eine Flasche Sekt mitbringen?
Aber trotzdem haben diese Verse etwas Anregendes: Freude will geteilt werden. Freude will sich zeigen, Freude möchte nicht alleine bleiben. Der Vater im Text kann es drastisch formulieren: ...jetzt müssten wir doch feiern und uns freuen.
Es entspricht nicht gerade der deutschen Mentalität (im Gegensatz zu den Orientalen der Bibel), die Freude nach aussen zu tragen. Oft trägt man sie nicht einmal auf dem Gesicht. Ich werfe uns da ein gewisses Mass an emotionaler Impotenz vor. Es geht mir nicht um die dumpfe Freude auf der Wiesn oder der Bergkirchweih. Es geht um die Fähigkeit, echte Freude zu empfinden bei beglückenden Erfahrungen und diese auch zu zeigen. Ich habe den Eindruck je intellektueller mein Umfeld, desto mehr muss ich mich für meine kindliche Freude oder Begeisterung rechtfertigen. Begeisterung ist dann schnell Naivität, die erst noch durch die Einwirkung meiner Rationalität abgekühlt und versachlicht werden muss. Der ältere Bruder hat ja auch ein ganzes Arsenal an Argumenten auf Lager, warum man sich jetzt nicht einfach so freuen kann.
Selbstbeherrschung ist nicht immer Zeichen besonderer Klugheit, sondern in Bezug auf Freude und Begeisterung vielleicht davon, meine Gefühle zu sehr beherrschen zu wollen, um nicht unüberlegt, unbedacht oder unreif zu wirken.
Ich möchte uns einladen im Privaten und als Gemeinde unsrer Freude über das Schöne, das uns begegnet, Ausdruck zu verleihen, sie zu zeigen, und mehr zu feiern!
Warum nicht wirklich die Flasche Sekt mitbringen?
Was würde das aus unseren Häusern machen? Und aus unseren Gottesdiensten...?
Jetzt mussten wir doch feiern und uns freuen!