Sonntag, 6. Dezember 2015

Nochmals Vollkommenheit

In Ergänzung zu meinem letzten Artikel nochmals ein Wort zur Vollkommenheit. Die Aussage Jesu in der Bergpredigt, dass wir so vollkommen sein sollen wie unser Vater im Himmel vollkommen ist, wird von Jesus in der Feldrede im Lukasevangelium dahingehend konkretisiert, dass es dort heißt: Luk 6:36 Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!

Bei Vollkommenheit geht es also im wesentlichen um Barmherzigkeit! Die wahre, von Gott geforderte Vollkommenheit ist eben Barmherzigkeit.

Aber auch im Matthäusevangelium wird genau dieser Gedanke von Jesus selbst unterstrichen in der Geschichte vom reichen Jüngling. Hier stellt Jesus ebenfalls den Zusammenhang zwischen Vollkommenheit und Barmherzigkeit her. Nachdem der Jüngling selbstsicher behauptet, alle wesentlichen Gebote der Tora gehalten zu haben macht ihn Jesus auf das eigentliche Ziel, auf Vollkommenheit aufmerksam. Es sagt:

Mat 19:21 "Wenn du vollkommen sein willst, dann geh, und verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen - du wirst dann einen Schatz im Himmel haben -, und komm, folge mir nach."

Sowohl bei der Stelle in der Bergpredigt wie auch hier in Matthäus 19 wird für Vollkommenheit das griechische Wort teleios verwendet. Wenn dieser junge Mann vollkommen sein will erreicht er das dadurch, dass er den Armen gegenüber barmherzig ist, indem er seinen Besitz verkauft und ihn an die Armen verteilt.

Auch hier ist Vollkommenheit nichts anderes wie gelebte Barmherzigkeit. Auch diese Stelle macht deutlich, dass Gott in aller erster Linie Barmherzigkeit von uns verwaltet und genau das uns vollkommen macht.

Gott ist Liebe und Barmherzigkeit und genau das macht seine Verkommenheit aus. Gott hat nicht mehrere Haupteigenschaften, die zusammen genommen einen vollkommenen Gott ergeben. Gott ist Liebe, Punkt! Es ist eben falsch, wenn behauptet wird: Gott kann auch anderst. Als hätte Gott mehrere Wesen die er je nach Bedarf aus der Schublade zieht. Mal zornig, mal gerecht, mal strafend, mal lieb. Gott ist Liebe, das wurde in Christus deutlich und er ist nie anderst. Selbst wenn Gott gerecht ist, ist er die Liebe. Gottes Vollkommenheit zeigt sich in seiner Barmherzigkeit. Und genau darum ist sie auch unser höchstes Ziel!

 

Samstag, 5. Dezember 2015

Ihr sollt vollkommen sein!?

Eine der herausforderndsten Stellen in der Bergpredigt findet sich am Ende von Matthäus 5:

Mat 5:48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."

Auf den ersten Blick scheint Jesus auszudrücken, dass seine Zuhörer genauso vollkommen sein müssen wir der allmächtige Gott. Aber wie ist das zu schaffen, dass ein sündiger Mensch so vollkommen und fehlerlos sein kann wie Gott?

Und was bedeutet "vollkommen" überhaupt? In der Auslegungs- und Predigtgeschichte musste diese Stelle für vielerlei herhalten. Für die einen ging es um moralische Vollkommenheit, für die anderen um sexuelle Reinheit, für wieder andere um einen makellosen Lebenswandel oder dogmatische Korrektheit. Einfach vollkommen. Und da nun wirklich jeder an diesem universellen Vollkommenheitsanspruch scheitert, wird er entweder überlesen oder dahin gedeutet, das jeder sich einfach so intensiv wie möglich anstrengen und bemühen soll, wie es geht.

Aber glücklicherweise legt sich die Bibel immer wieder selbst aus. Was nämlich Matthäus hier in der Bergpredigt zitiert, findet sich bei Lukas in der Feldrede. Beider Male ist der Kontext die Feindesliebe.

Mat 5:43 Ihr wisst, dass es heißt: 'Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen!'

Mat 5:44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.

Mat 5:45 So erweist ihr euch als Kinder eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Mat 5:46 Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr dafür wohl verdient? Denn das machen auch die Zöllner.

Mat 5:47 Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr damit Besonderes? Das tun auch die, die Gott nicht kennen.

Mat 5:48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."

Der Abschluss dieser Aufforderung zu einer großen Liebe ist dann unser Satz mit der Vollkommenheit. Schon hier deutet sich an, dass mit "vollkommen wie Gott" eher "liebevoll wie Gott" gemeint sein könnte.

Bei Lukas ist der Kontext folgender:

Luk 6:27 "Doch euch, die ihr mir wirklich zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen!

Luk 6:28 Segnet die, die euch verfluchen! Betet für die, die euch beleidigen! ...

Luk 6:35 Ihr aber sollt gerade eure Feinde lieben! Ihr sollt Gutes tun, ihr sollt leihen und euch keine Sorgen darüber machen, ob ihr es wiederbekommt. Dann wartet eine große Belohnung auf euch und ihr handelt wie Kinder des Höchsten. Denn er ist auch gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Luk 6:36 Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!

Auch hier macht Jesus deutlich, dass seine Jünger nicht nur ihre Freunde lieben sollen, sondern sich eben gerade auch über die Feinde erbarmen. Und Jesus schließt den Abschnitt damit ab, dass wir so barmherzig sein sollen wir Gott.

Wenn es bei Matthäus noch ganz allgemein heißt: "vollkommen sein wie Gott", dann wir diese Vollkommenheit bei Lukas konkretisiert und als Barmherzigkeit verstanden.

Es geht also nicht um die Aufforderung nach einem vollkommen makellosen und korrekten Leben, sondern darum, sich die Barmherzigkeit Gottes zum großen Ziel zu setzen. Wer vollkommen sein will wie Gott, der muss so barmherzig sein wie er.

Plötzlich ist das Streben nach Vollkommenheit nicht länger die auf mich, nach innen und auf meine Frömmigkeit gerichtete Anstrengung, sondern die Anstrengung für den anderen, die Barmherzigkeit, die ja auf den anderen, den Nächten und sogar den Feind gerichtet ist.

Das ist der Grundtenor der Reich Gottes Botschaft Jesu immer und immer wieder. Das ist auch der Dreh- und Angelpunkt unsre Nachfolge.