Jesus ist das vollkommene und unverfälschte Abbild des Charakters
Gottes. Er ist nicht nur ein Aspekt des Wesens Gottes. So als könne Gott
auch noch ganz anders... Nein, Gott ist nie anders als er sich in Jesus
gezeigt hat. Und Jesus demonstriert mit seinem ganzen Leben absolute
Gewaltlosigkeit. Sogar bis zum Tod. Vergebung für seine Henker anstelle
von Racheandrohung. Unter diesem Blickwinkel müssen all die
gewalttätigen Stellen im AT verstanden werden. Sie sind nicht Ausdruck
von Gottes Wesen, sondern inspirierte Dokumentation eines sich langsam
entwickelnden und klärenden Gottesbildes, dass in der Offenbarung Jesu
als Gott mündet.
Die Bibel ist so inspiriert und so authentisch, dass sie auch abbildet,
wie sich das jüdische Gottesbild entwickelt hat. Das Gottesbild ist ja nicht vom
Himmel gefallen. Abraham kannte Gott zuerst nicht, in Ägypten lernen sie
ganz andere Gätter kennen und dann baut
sich ein jüdisches Gottesbild auf, das oft auch noch gemischt ist mit
den alten Gottesvorstellungen, den Bildern ihrer antiken Umwelt usw. All
das wird auf ihr Gottesbild projiziert, von der Bibel dokumentiert, von
Gott immer wieder korrigiert und von uns reflektiert im Spiegel der
Offenbarung Gottes in Jesus.
Wer das liest, entwickelt leider allzu schnell den Gedanken, dass Gott uns gegenüber ja nun nicht mehr gewalttätig sondern gnädig ist, weil Jesus die Strafe und den Zorn und die Rache Gottes auf sich genommen hat.
Dieser
Gedanke ist eben heikel. Das ist ja im Kern die Idee von penal substitution. Bei diesem Gedanken wird Gott nicht weniger gewalttätig,
er verzichtet nur uns gegenüber auf Gewalt, auf Strafe und Vergeltung,
weil er seine Wut und seinen Zorn an Jesus
ausgelassen hat. Jesus hat den tödlichen schlag abbekommen, weil er
sich dazwischen geworfen hat. Und nur darum bleiben wir verschont. Aber
genau dieses soteriologische Modell zementiert eben die Vorstellung
eines rachsüchtigen, nach ausgleichender Gerechtigkeit strebenden
Gottes, der erst zufrieden sein kann, der erst vergeben kann, wenn
jemand bezahlt hat. Aber was ist besonders an Vergebung, wenn vorher
jemand dafür bezahlt hat? Das kann doch jeder. Gottes Liebe ist und
bleibt Feindesliebe. Er fängt nicht erst an zu lieben, wenn der Feind
sich zum Freund gewandelt hat. In Jesus offenbart sich nicht nur eine
Methode, wie Gott in Zukunft auf Gewalt verzichten kann, sondern in
Jesus offenbart sich das absolut gewaltfreie Wesen Gottes.