Samstag, 25. April 2015

Der breite und der schmale Weg

Im Moment lese ich in meiner stillen Zeit das Matthäusevangelium. Wenn mir hin und wieder etwas Spezielles ins Auge fällt habe ich vor das hier zu bloggen.

Anfangen möchte ich mit einem bekannten Vers aus der Bergpredigt:
Mt.7,12+13: Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden.

Immer wieder werden diese Verse benutzt, um deutlich zu machen, wie viele Menschen auf dem Weg in die Hölle sind und wie wenige den Weg zum ewigen Leben finden.
Diese Deutung drängt sich auf, wenn man die Übersetzung von Luther benutzt. Etwas anders klingt der Text bereits, wenn man eine modernere Übersetzung liest:
Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind dorthin unterwegs. Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der ins Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden! (NEÜ)

Hier wird „Verderben“ übersetzt und nicht „Verdammnis“. Aber welches Wort wird hier im griechischen Text benutzt?
Das griechische Wort an dieser Stelle (απωλεια, apoleia) kommt 20 Mal im NT vor. Allerdings nur zweimal im Matthäusevangelium. An dieser Stelle und bei der Salbung in Bethanien. Dort wird das Wort folgendermaßen verwendet:
Mat 26:7  Während des Essens kam eine Frau herein, die ein Alabastergefäß mit sehr kostbarem Salböl mitbrachte. Sie goss Jesus das Öl über den Kopf.
Mat 26:8  Als die Jünger das sahen, waren sie empört. "Was soll diese Verschwendung (apoleia)?", sagten sie.
Mat 26:9  "Man hätte dieses Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können."

Matthäus gebraucht an dieser eindeutigen Stelle das Wort im Sinne von „Vergeudung “, „Verschwendung“. Natürlich kann apoleia auch Verderben, Zerstörung oder Vernichtung bedeuten, aber Matthäus gebraucht dieses Wort eben für Verschwendung und Vergeudung.
Will dieser Vers also wirklich sagen, dass der Großteil der Menschen in die Hölle kommt und nur ganz wenige in den Himmel? Zunächst einmal steht überhaupt nichts von Himmel oder Hölle in diesen Versen. Wenn, dann steht dort etwas von Verschwendung und Leben.
Wenn ich also mit diesem Blickwinkel noch einmal an den Vers herangehe, könnte man ihn durchaus auch folgendermaßen interpretieren:
Zur damaligen Zeit gab es breite, ausgebaute Wege  (meistens von den Römern angelegt) und es gab natürlich besonders viele schmale, enge Wege die entsprechend zu kleinen Toren  oder Durchgängen führten.
Diese engen Pfade, vielleicht an einer Schlucht entlang, an einem Abhang, an einem Fluss, brauchten ein ganz besonders hohes Maß an Achtsamkeit und bewusstem Gehen, wohingegen der breite, gut ausgebaute Weg und das große Tor deutlich weniger Achtsamkeit und bewusstes Laufen erforderten. Auf dem breiten Weg kann man dahin schlendern, abgelenkt sein, ohne in Gefahr zu geraten.
In diesem Sinne will Jesus durch diese beiden Verse zum Ausdruck bringen, dass es leicht geschehen kann, sein Leben zu vergeuden, zu verschwenden, nichts daraus zu machen, das eigene Leben für nichts Gutes zu verwenden und dadurch gar nicht wirklich gelebt zu haben. Das geschieht, indem man auf dem breiten Weg unterwegs ist, also unachtsam, abgelenkt und wenig bewusst lebt.
Dahingegen führt der schmalen Weg, also das bewusste und achtsame Leben zu wahrem Leben, zu erfülltem Leben, einem Leben das nicht verschwendet und vergeudet wurde, dessen Lebensenergie sich nicht für Sinnloses verschwendet hat.
Es geht in diesen Versen also überhaupt nicht um die Hölle oder das ewige Leben, sondern darum das eigene Leben zu vergeuden, anstatt wirklich bewusst und im Geiste Jesu gelebt zu haben.
Wie man sein Leben nicht vergeudet,  sondern bewusst, achtsam und sinnerfüllt lebt, genau das macht Jesus im Vers zuvor deutlich:
Mat 7:12  Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch für sie! Das ist es, was Gesetz und Propheten fordern. Mat 7:13  Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind dorthin unterwegs.

Wer also so aufmerksam, achtsam und bewusst lebt, dass er die Erwartungen und Bedürfnisse anderer Menschen wahrnimmt und ihnen dementsprechend Gutes tut, genau der vergeudet sein Leben nicht, verschwendet sein Leben nicht für Egoismus und die eigenen Bedürfnisse. Aber dieser Weg ist eben schmal, anstrengend, erfordert Konzentration und Achtsamkeit. Wer einfach so dahin schlendert im Leben, so dahinlebt, nimmt die Bedürfnisse anderer nur wenig wahr, tut dadurch wenig Gutes und vergeudet vieles von dem, wozu sein Leben eigentlich gedacht und berufen ist.

Und genau diesen Gedanken, das Leben nicht zu vergeuden, die eigene Kraft, Energie und Stärken nicht zu verschwenden formuliert Jesus immer wieder. Ganz explizit macht er es im Gleichnis von den anvertrauten Talenten im Mt.25.

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