Montag, 27. Oktober 2014

Dürfen Christen Gebote abschaffen?

Es gibt eine höchst interessante Bibelstelle, die genau das zum Ausdruck bringt.
Sie wird von vielen nicht verstanden oder missverstanden.
Wir finden sie zweimal im Neuen Testament.

• Mt.16,19 Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf der Erde bindest, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf der Erde löst, das wird im Himmel gelöst sein.«
• Mt.18,18 Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.
Binden und Lösen war ein rabbinischer Fachausdruck.
Es ist die Übersetzung zweier griechischer, bzw. ursprünglich hebräischer Worte. Sie bedeuten tatsächlich binden und lösen, also losbinden oder auflösen. Aber es ging nicht darum, irgendetwas fest zu binden oder los zu binden, sondern es ging darum etwas zu erlauben oder zu verbieten. Die Schriftgelehrten binden bzw. lösen etwas, das heißt sie erklären etwas für verboten bzw. für erlaubt.
Es gibt unzählige Aussagen im jüdischen Talmud, wo z.B. beschrieben wird, dass die Schule des Rabbis Hillel etwas erlaubte und die Schule des Rabbi Schammai etwas verboten hat. Und hier werden genau diese beiden Worte verwendet.

Auch zur Zeit Jesu war seinen Jüngern sofort klar, was er mit diesem Satz sagen wollte.
Auf Erden etwas binden oder lösen bedeutet in einer bestimmten Frage etwas für erlaubt oder für verboten zu erklären.
Noch heute haben Rabbiner genau diese Aufgabe: Wird ein neues Lebensmittel in Deutschland auf den Markt gebracht, dann muss die orthodoxe Rabbinerkonferenz in Deutschland entscheiden, ob der Verzehr dieses Lebensmittel erlaubt oder verboten ist. Wird es als erlaubt erklärt, bekommt es den Aufdruck »koscher« und jeder Jude weiß, dass er es bedenkenlos essen darf. Leider haben die Juden keine Bibelstelle im Alten Testament, die sagen würde, ob Nutella erlaubt oder verboten ist. Und darum müssen heute die Rabbiner entscheiden, ob dieser wunderbare Brotaufstrich von Juden gegessen werden darf. Was sie hier machen ist Binden oder Lösen.


Und jetzt hat Jesus diese Aufgabe des Bindens und Lösens seinen Jüngern, den Aposteln, übertragen.
Warum ist diese Aufgabe wichtig? Warum sollen die Apostel festlegen können, ob etwas erlaubt oder verboten ist? Jesus war nur bis zu seiner Auferstehung auf dieser Erde, um den Menschen unmissverständlich mitzuteilen, was erlaubt und verboten ist.Später sind aber Fragen in der Ur-Christenheit aufgetaucht, zu denen sich Jesus nicht geäußert hatte.Und jetzt mussten die Apostel auf der Grundlage des Lebens Jesu, also der Ethik Gottes, binden und lösen.Sie mussten Entscheidungen treffen, ob bestimmte Dinge jetzt erlaubt waren oder verboten.

So war es bisher einem jüdischen Menschen verboten, in das Haus eines Heiden zu gehen, geschweige denn mit ihm zu essen. Nun möchte sich aber der heidnische Hauptmann Cornelius bekehren und wünscht das Evangelium zu hören. (Apg.10). Und der arme Petrus ist gerade in der Nähe und steht nun vor der Herausforderung, in das Haus dieses Heiden Kornelius eingeladen zu werden. Nach jüdischem Verständnis verboten.
Schaut man sich aber die Ethik Jesu an, also sein innerstes Herz, sein Wunsch, dass alle Menschen gerettet werden, dann erkennt man, dass dieses Gebot gelöst werden muss, es ist nicht länger gültig. Die Jünger dürfen zu den Heiden gehen und ihnen das Evangelium verkünden. Und genau das vermittelt im Gott durch eine Vision.

Noch dramatischer wurde es dann aber, als sich eine große Anzahl Heiden für den christlichen Glauben entschieden hatte. Für alle bis dahin Gläubigen (und das waren alles Juden) war klar, dass sie sich auch weiterhin an die Gebote des Alten Testaments, die Feiertage, den Sabbat und die jüdischen Feste halten würden. Einige eifrige Judenchristen reisten nun in die heidnischen Städte, um die neu bekehrten Heiden ebenfalls auf das Alte Testament und die alttestamentlichen Gebräuche einzuschwören. Und nun entstand eine große Diskussion, eine neue Frage:
Müssen sich die Heidenchristen, die keinen jüdischen Hintergrund haben an die Gebote und Regeln der Torah, also des alttestamentlichen Gesetzes, halten oder nicht? Ist die Torah für sie gültig?


Und sie haben das nicht leichtfertig gemacht. Das Ganze 15. Kapitel der Apostelgeschichte berichtet von diesem Vorgang. Da gab es Anhörungen, Verhandlungen, Gespräche, Streit, Diskussion und viel Gebet um die Gegenwart des Heiligen Geistes. Und am Ende der Verhandlungen haben die Apostel ihre Verantwortung des Bindens und Lösens wahrgenommen.
Sie haben ihre auf Erden getroffene Entscheidung in einem Brief an alle heidnischen Gemeinden formuliert:
Apg.15,23 »Die Apostel und die Ältesten ´von Jerusalem` an die nichtjüdischen Geschwister in Antiochia und in ganz Syrien und Zilizien: Wir, eure Brüder, grüßen euch herzlich! … 28 Vom Heiligen Geist geleitet, haben wir nämlich beschlossen, euch keine weitere Last aufzuladen außer den folgenden Einschränkungen, die unbedingt von euch zu beachten sind: 29 Esst kein Fleisch von Tieren, die als Opfer für die Götzen geschlachtet wurden; genießt kein Blut; esst kein Fleisch von Tieren, deren Blut nicht vollständig ausgeflossen ist; und hütet euch vor Blutschande. Wenn ihr euch vor diesen Dingen in Acht nehmt, tut ihr recht. Lebt wohl!«
Die Apostel hatten entschieden, dass die Heiden die Traditionen und Gebote des AT nicht in ihren Alltag integrieren mussten (mit 4 Ausnahmen). Genau das hat Jesus gemeint, als er Jahre zuvor seinen Aposteln sagte: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.


Und diese Aufgabe des Bindens und Lösens hat auch nicht aufgehört, nachdem der letzte Jünger Jesu gestorben und das Neue Testament fertig geschrieben war. Denn auch heute tauchen neue Fragen auf, zu denen sich Jesus oder die Bibel nie geäußert haben.
  • Darf man sich bei einer Operation eine Bluttransfusion geben lassen, wo doch alles was mit Blut zu tun hatte strengstens verboten war.
  • Darf man Medikamente herstellen und einnehmen, wo dieser Prozess noch im Buch der Offenbarung als Zauberei bezeichnet wurde (pharmakos/Pharmazeut)?
  • Darf man in der Ehe verhüten und die Pille nehmen?
  • Darf ich als Christ eine Lebensversicherung oder Krankenversicherung abschließen, oder bringe ich damit Zweifel an Gottes Versorgung zum Ausdruck?
  • Darf man Schweinen und Kühen Wachstumshormone geben?
  • Ist Kernspaltung und Atomkraft ein erlaubter oder unerlaubter Eingriff in Gottes Schöpfung?
  • Ist Sterbehilfe angesichts unserer Apparatemedizin in gewissen Fällen erlaubt?
  • Ist liebevolle, treue und monogame Homosexualität erlaubt?
  • Kann ich als Christ mit Aktien und Hedgefonds handeln?
Das sind nur ein paar moderne Fragen, bei denen wir entscheiden müssen, was der Ethik und dem Willen des Himmels entspricht. In anderen Worten: ob diese Dinge erlaubt oder verboten sind.
Und solche Entscheidungen sind keine Anmaßung, sondern wir haben das Mandat des Bindens und Lösens von Jesus bekommen.
Als ich in meiner Predigt über Homosexualität über eine Notordnung gesprochen habe, die es in dieser Frage gegen könnte, wurde mir immer wieder vorgeworfen, dass von solch einer Notordnung nichts in der Bibel steht. Und es steht tatsächlich nichts von solch einer Notordnungen in der Bibel.
Aber viele unserer heutigen christlichen Regeln stehen so nicht in der Bibel, weil wir eben das Mandat bekommen haben, seit 2000 Jahren zu binden und zu lösen. Und das machen wir seither bei vielen Themen. Es passiert nur immer wieder, dass manchmal etwas erlaubt oder verboten wird, das andere nicht wollen und plötzlich nehmen sie genau dieses Thema heraus vom Binden und Lösen und beharren darauf, dass hier alles so bleibt wie es schon immer war.

Ich glaube aber auch nicht, dass jeder einzelne Christ ganz unabhängig von anderen und individuell Binden und Lösen kann, also für erlaubt oder verboten erklären, gerade so wie es ihm richtig erscheint oder passt.
Binden und Lösen muss sich immer im Rahmen der erkannten Ethik Gottes bewegen.
An den biblischen Beispielen merken wir, dass immer eine Gruppe von Menschen oder eine Versammlung von Leitern in diesem Prozess des Bindens und Lösens involviert war. Und wir brauchen dazu das innere Zeugnis des Heiligen Geistes, so dass wir sagen können: der Heilige Geist und wir haben beschlossen…
Aber Christen werden zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen, weil sie unterschiedliche Gewissen haben. Am Ende ist jeder seinem Gewissen verpflichtet.

Und wenn es um Themen geht, zu denen die Bibel überhaupt nichts sagt, müssen wir erst recht selbst entscheiden. Wir können nicht darauf warten, dass uns vom Himmel eine weitere Schrift nachgereicht wird, in der die aktuellen Fragen mit ihrer himmlischen Entscheidung aufgelistet werden. Gott hat uns in Jesus die Ethik des Himmels offenbart. Und nun müssen wir mit dieser Ethik im Herzen, und Gottes Geist im Gewissen moralische Entscheidung treffen.

Ein letztes Beispiel des Paulus: er buchstabiert dieses Binden und Lösen am Beispiel vom Essen des Götzenopferfleisches durch.

•Röm.14,2: Einer glaubt zum Beispiel, er dürfe alles essen. Der Schwache jedoch ernährt sich rein vegetarisch. Wer alles isst, darf den nicht verachten, der nicht alles isst. Und wer nicht alles isst, darf den nicht verurteilen, der alles isst, denn Gott hat ihn genauso angenommen wie dich.
Hier merken wir es: zwei ganz unterschiedliche Entscheidungen. Für den einen ist Essen von Götzenopferfleisch erlaubt, für den anderen nicht. Ja was gilt denn jetzt im Himmel? Es gilt eben beides, denn beides ist eine moralische Entscheidung anhand der Ethik des Himmels und darum hat Gott auch beide Personen angenommen.
•…5 Für manche Leute sind bestimmte Tage von besonderer Bedeutung. Für andere wieder sind alle Tage gleich. Jeder soll nach seiner Überzeugung leben.
Ja hat denn der Himmel keine Meinung dazu, wie man einzelne Tage behandeln soll? Wir werden aufgefordert, dass jeder nach seiner Überzeugung leben soll und der Himmel akzeptiert unsere Entscheidungen, zieht uns aber auch für unsere Entscheidungen zur Rechenschaft.
•6 Wenn jemand bestimmte Tage besonders beachtet, tut er das, um den Herrn zu ehren. Genauso ist es bei dem, der alles isst: Er tut das, um den Herrn zu ehren,
Hier merken wir , dass es dem Himmel auf die Haltung, auf das Herz ankommt, und nicht auf die Regel an sich.
•22 Wovon du persönlich überzeugt bist, ist eine Sache zwischen dir und Gott. Glücklich ist, wer mit seiner Überzeugung vor dem eigenen Gewissen bestehen kann und sich nicht selbst verurteilen muss. 23 Wer aber beim Essen ein schlechtes Gewissen hat, ist schon verurteilt. Denn er handelt nicht so, wie es dem Glauben, dem Vertrauen auf Jesus Christus, entspricht. Und alles Tun, das nicht aus dem Glauben kommt, ist Sünde.
Wovon du persönlich überzeugt bist, ist eine Sache zwischen dir und Gott! Deine Überzeugung muss von deinem eigenen Gewissen bestehen können. Wer einfach etwas für erlaubt erklärt, nur um es bequemer zu haben oder seinen Kopf durchzusetzen, der tut es nicht aus Glauben und aus einem reinen Gewissen und damit ist es für ihn und den Himmel Sünde.

Dieser Vers ist also kein Freibrief, sondern eine große Verantwortung. Der Himmel nimmt unsere Entscheidungen ernst. Und wir müssen sicherstellen, dass wir zutiefst geprägt sind vom Herzen Jesu und der Ethik des Himmels. Denn sonst werden unsere Überzeugungen nicht vor unserem Gewissen bestehen können, in dem der Heilige Geist wohnt.

Hier die zugehörige Predigt:

Emuna ist da

Wenn es hier in den letzten Tagen ein wenig ruhiger war, dann hatte das einen wunderschönen Grund:


Dienstag, 30. September 2014

Portrait auf Radio Life Channel

In meinem Leben habe ich schon so manche Höhen und Tiefen erlebt. Erfolge und Misserfolge, Aufbauphasen und Zerbrüche. Mit manchem habe ich gehadert, heute kann ich das meiste aus Gottes Hand nehmen.
Diese Erlebnisse des Lebens und des Glaubens haben mich geprägt, mein Gottesbild geformt, mein Bibelverständnis verändert und meine Predigten beeinflusst.
Martin Benz | (c) privatRadio Life Channel hat dazu eine Portrait Sendung mit mir gemacht und meine Erfahrungen der letzten 30 Jahre näher unter die Lupe genommen.
Die Sendung kann man hier anhören:

http://www.erf-medien.ch/de/Glauben-entdecken/Menschen/Portraet/Martin-Benz---Verliebt-und-vertieft-in-die-Bibel


Dienstag, 23. September 2014

Was tun angesichts des ISIS Terror?

Was wir momentan vom ISIS Terror über die Medien mitbekommen ist erschütternt. Irgendwie hatte man gehofft, dass derartige Barbarei heute nicht mehr möglich ist. Aber vor 80 Jahren hatten wir mitten in Europa den Nazi Terror und vor 30 Jahren den Balkan Krieg.
Ich ringe angesichts dieses Terrors mit verschiedenen Reflexen.
Zum einen möchte ich den Isis Terror mit dem Islam gleichsetzen. So als Bestätigung der Überlegenheit der christlichen Religion. Aber dann werde ich erinnert, dass im Namen des christlichen Gottes unzählige Menschen während der Inquisition gefoltert und abgeschlachtet wurden oder Frauen als Hexen verbrannt.
Während der Kreuzzüge wurden andersgläubige Orientalen verfolgt und hingerichtet. Das Christentum kennt ebenfalls Kriege und Terror.
Mein alter Kirchengeschichtsprofessor pflegte immer zu sagen: man muss das Optimum mit dem Optimum vergleichen. Es ist unfair, das Christentum in seiner schönsten Form mit den wüsten Verirrungen einiger Extremisten zu vergleichen. Auch wenn deren Auswirkungen gerade gross sind.
Ich wünsche dem Islam die Aufklärung, die Europa im 18.Jhdt. erlebt hat und unter Christen leider oft im Verruf steht. Aber es war auch die Aufklärung, die uns geholfen hat, die Bibel anders lesen zu können als bis anhin. Damit konnten hohe biblische Werte wiederentdeckt werden und eine Inquisition oder Hexenverfolgungen sind heute undenkbar (wogleich es immer wieder christliche Sekten geben wird, die solche alten Zeiten hioch leben lassen wollen). Das Bild der Frau konnte sich ändern und Sklaverei angegangen werden. Der vielgescholtene Humanismus hat dem Christentum mehr Menschlichkeit verliehen. Keine schlechte Sache für eine Religion, deren Mittelpunkt die Menschwerdung ist. In vielem ist das Christentum heute biblischer als während dem Mittelalter oder vor der Aufklärung, auch wenn Aufklärung und Humanismus ihre problematischen Seiten haben.

Ein anderer Reflex gegenüber dem Terror ist der Wunsch nach Vergeltung und militärischem Eingreifen. Wenn ich lese, dass jetzt die Amerikaner militärisch eingreifen, spüre ich ein Gefühl der Erleichterung. Aber ist das der richtige Reflex? Natürlich ist es richtig, sich zu wünschen, dass dieser Terror aufhört. Aber warum finde ich Bomben und Raketen plötzlich so sympathisch? War freunde ich mich mit Gewalt an, wo mich doch die andere Gewalt so abschreckt? Gibt es gute und schlechte Gewalt? Gibt es da keine Alternative?
Mitten in diese Auseinandersetzung verlinke ich euch zwei Artikel, die sich einmal Pro und einmal Contra zur Gewalt als letztem Mittel gegen den Terror äussern. Meine Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen.

Montag, 1. September 2014

Das Missverständnis "Tut Busse und glaubt..."

Als Start unsrer neuen Predigtserie habe ich darüber gesprochen, wie der Himmel auf die Erde kommt. Dabei spielt jeder einzelne Nachfolger Jesu eine entscheidende Rolle. Jesus leitet Nachfolge immer wieder mit den Worten ein:Tut Buße und glaubt an das Evangelium! (Mk.1,15)
Wenn wir das so hören, dann denken wir ganz schnell an das Bereuen von einzelnen Sünden. An Beichten. Ich bitte um Vergebung für einzelne Sünden, die ich auf meinem Lebensweg begangen habe. Wohl gemerkt: meinem Lebensweg. Diese Aufforderung Jesu zur Nachfolge wird von vielen Christen so verstanden, dass sie ihren Lebensweg weitergehen, auf diesem Lebensweg immer wieder um Vergebung für ihre Sünden bitten, und sich darauf verlassen können, dass Gott sie in den Himmel bringt und in allen Nöten des Lebens beisteht. Und wir haben den Eindruck, dass durch dieses Bitten um Vergebung Jesus irgendwie zum Herr unseres Lebens geworden ist.


Dieser Ausdruck »tut Buße und glaubt ans Evangelium« (griechisch: Μετανοειτε και πιστευετε) hat aber seine Geschichte. Wie haben die Juden im ersten Jahrhundert diese Worte verstanden?

Es gibt ein interessantes Dokument von Flavius Josephus, einem jüdischen Adligen und Oberbefehlshaber der jüdischen Armee. Er hat einige Bücher und Dokumente in griechischer Sprache verfasst. Sie stammen aus den späten sechziger Jahren n. Chr. Als Oberbefehlshaber der Armee hatte er zunächst die Aufgabe, gegen die Römer Krieg zu führen. Relativ bald merkt er aber, dass diese Strategie zum Scheitern verurteilt war und es für das gesamte jüdische Volk besser wäre, mit den Römern zusammen zu arbeiten als gegen sie zu revoltieren. Als er also seinen Plan änderte, musste er einige andere militärische Anführer davon überzeugen, ihre eigenen Pläne der Revolution fallen zu lassen und sich seinem Plan der Kollaboration mit den Römern anzuschließen. Als er diesen Anführern schrieb: »lasst eure eigenen Pläne fallen und vertraut meinen Plänen«, da tat er es mit den gleichen griechischen Worten, die wir auch bei Jesus lesen und die wir üblicherweise mit »tut Buße und glaubt« übersetzen.

Als Josephus schrieb Μετανοειτε και πιστευετε, da wollte er diesen Anführern nicht sagen: bereut eure Sünden und werdet religiös, sondern vielmehr: gebt eurer eigenen Pläne auf und schließt euch meinen Plänen an, seid meiner Agenda gegenüber loyal.



Wir haben aus diesen beiden Begriffen etwas total religiös einseitiges gemacht: Persönliche Beichte, immer wieder Sünden bekennen. Und gleichzeitig die eigene Agenda verfolgen und den eigenen Weg gehen.

Um was es Jesus geht ist etwas anderes: Ihm nachzufolgen bedeutet, dass ich mich von meiner eigenen Lebensagenda, meinen Lebensplänen abwende und mich ganz und loyal in den Dienst seiner Pläne, seiner Absichten und seiner Agenda stelle! Christ werden ist nicht der Entschluss, Jesus in mein Leben zu integrieren. Es ist nicht die Bereicherung meines Lebens mit einer himmlischen Lebensversicherung, himmlischer Hilfe und einer sinnvollen Lebensphilosophie.
Es ist vielmehr der Entschluss mich ganz in den Dienst der Absichten Jesu zu stellen. Ich integriere mich in seine Absichten, ich werde Teil seines Auftrags, ich werde Teil seiner Mission. Und ich bin berufen, diese Mission erfolgreich durchzuführen, biblisch gesprochen: Frucht zu bringen.



Hier findest du die gesamte Predigt:







Sonntag, 31. August 2014

Inspirierendes Lied

Im unserer neuen Predigtserie "Himmel auf Erden" lernen wir ein neues Lied, passend zum Thema.
Ich poste euch hier ein Video, in dem es die beiden Komponisten David und Nicole Binion in einer Gemeinde singen. Zur Zeit mein absolutes Lieblingslied.



Hier noch der Text:
[Verse 1]
The spirit of the Lord is upon me
His anointing is empowering
The Kingdom of the Lord is within me
And He's calling me to the heavenlies

[Chorus]
Be seated in heavenly places
Just like Heaven, just like Heaven on Earth
To be walking in His favor and grace is
Just like Heaven, just like Heaven on Earth
Oh-oh-oh-oh Heaven, Heaven on Earth
Oh-oh-oh-oh Heaven

[Verse 2]
Marching in the spirit of unity
To our community, show His ability
The will of the Lord for His children
Is to demonstrate perpetuate

[Chorus]
Be seated in heavenly places
Just like Heaven, just like Heaven on Earth
To be walking in His favor and grace is
Just like Heaven, just like Heaven on Earth
Oh-oh-oh-oh Heaven, Heaven on Earth
Oh-oh-oh-oh Heaven

[Bridge]
Something's moving! Something's changing!
See His glory! Feels like Heaven on Earth! (Repeat)
Lightning and thunder! Miracles and wonders!
The sound of many waters! Heaven on Earth! (Repeat)

Oh-oh-oh-oh Heaven; Heaven on Earth

[Tag]
Heaven is calling for you to come higher!
To see everything from a new point of view.
To be seated with Jesus in Heavenly places
From His perspective everything is made new

There is Lightning and thunder! Miracles and wonders!
The sound of many waters! Heaven on Earth!

Dienstag, 26. August 2014

Der Stess mit den vielen Möglichkeiten



In unserer letzten Predigt haben wir uns mit dem Phänomen der Konsumgesellschaft und Multioptionsgesellschaft auseinandergesetzt.

Bild von peekm auf Flickr
Wir leben in einer ganz ausgeprägten Konsumgesellschaft.
Und das nimmt in immer stärkerem Maße zu. Unser Leben ist zutiefst geprägt und gezeichnet von einem Lebensstil des Konsumierens. Konsum als unsere Lebensgrundlage ist der dominierende Lebensstil unserer westlichen Gesellschaft.
Bei der Konsumgesellschaft geht es im wesentlichen um die Frage:
  • Was bringt es mir?
  • Mein Interesse kommt zuerst
  • Was springt für mich dabei heraus?
In der Konsumgesellschaft sind mir ich und meine Bedürfnisse das Nächste. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ heißt in der Konsumgesellschaft vor allem einmal: wie dich selbst. Ganz tief in uns Menschen steckt die Haltung, dass wir auf ganz vieles ein naturgegebenes Recht verspüren:
·         Ein Recht auf Besitz, ein Recht auf Gesundheit, ein Recht auf Bequemlichkeit und Komfort, ein Recht auf angemessene Behandlung, ein Recht auf Freizeit, ein Recht auf Individualität, ein Recht auf meine Bedürfnisse usw.

Gleichzeitig sind wir eine Multioptionsgesellschaft.
Noch nie hatten die Menschen so viele Wahlmöglichkeiten für die Gestaltung ihres Lebens. Ich kann mir meine Religion auswählen, meinen Ehepartner, meine Arbeitsstelle, meine Bildung usw. All das war in den Gesellschaftsformen vor 150 Jahren nicht möglich:
·         Da wurde ich verheiratet
·         Meine Religion war vorbestimmt
·         Die Arbeitsstelle durch den Vater vorgegeben
·         Und meine Bildung meinen gesellschaftlichen Stand oder Geschlecht angepasst.
Wir haben aber auch die Wahl zwischen unendlich vielen Produkten. Noch nie gab es so viele Lebensmittel in unseren Läden. Noch nie so viele Kosmetikprodukte. Noch nie so viele verschiedene Getränke, Fleischsorten, Grundnahrungsmittel, Joghurt  oder Süßigkeiten.
Und in dieser Multioptionsgesellschaft wird Verbindlichkeit zu einer enorm schwierigen Tugend. Denn wer möchte sich schon festlegen, wenn man solch eine große Auswahl hat? Da wartet man bis zum letzten Moment, bis es nicht mehr anders geht, um zu vermeiden, dass ich doch die falsche Wahl treffe. Ich kann heute bis zum letzten Moment warten, mich für einen Termin festzulegen, denn ich kann ja innerhalb von Sekunden per SMS zusagen oder absagen. Aber viel früher möchte ich es nicht machen, denn vielleicht kommt noch ein attraktiverer Termin.
Und da der Mensch in der Konsumgesellschaft zu allererst fragt: was bringt es mir? wird eben bis zum letzten Moment gewartet, ob für mich nicht doch noch etwas kommt, dass mir mehr Vergnügen, mehr Spaß, mehr Ruhe, mehr angenehme Gefühle, mehr Erholung oder mehr Freude bringt.
Aber es ist gerade dieser Mangel an Festlegung in unserer Multioptionsgesellschaft, dieser Mangel an Verbindlichkeit und an Entschlussfreudigkeit, der Beziehungen und Beziehungspflege immer schwieriger macht.

Verbindlichkeit in der Gemeinde
Diese Problematik findet sich auch in unseren Gemeinden. Denn wir alle stehen in dem Kampf, ob unser Leben stärker geprägt wird vom Königreich Gottes oder von den Werten unserer Konsumgesellschaft.
Das zeigt sich besonders im Besuch der Gottesdienste. Für viele Christen in Westeuropa hat sich der Sonntag zu einer Option entwickelt in unserer Multioptionsgesellschaft. Da gibt es so viele Optionen, was man am Sonntag alles machen kann. In die Natur, Wandern, in die Berge, zu Freunden, im Garten sitzen, gemütlich Kaffeetrinken, Sport machen, Hobbys pflegen usw. Und ab und zu ist dann auch wieder die Kirche dran. Und manche erinnern sich noch an die Zeiten, wo der sonntägliche Gottesdienstbesuch keine Option war, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ein fester Bestandteil meiner persönlichen Jesusnachfolge.
Hat man nicht das Recht, seinen Sonntag zu gestalten wie man will? In einer Konsumgesellschaft und Multioptionsgesellschaft ja! Bei einer Gemeinschaft des Königreichs bin ich mir da nicht so sicher. Denn die letzten 2000 Jahre hat dieses Reich Gottes dadurch funktioniert, dass Christen verbindlich waren.
Apg.4,42: Sie blieben aber beständig (=beharrlich, verbindlich) in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Der einzige Ausweg aus der ständigen Forderung der Multioptionsgesellschaft ist der bewusste Verzicht. Ohne die Bereitschaft auf Verzicht, wird jede Option zum Stress oder zur Bedrohung.
Darum hat Jesus so viel von „sich selbst verleugnen“ gesprochen. Da sagt man nämlich zu Wünschen, Verlangen, Bedürfnissen immer öfter „Nein“. Das ist nichts anderes als Verzicht.
Folgende Sätze sollte man seinem Denken antrainieren:
  • Nicht erst mit dem Besten (preislich, qualitativ, Grösse, Wirkungsgrad, Ästhetik, Fun…) voll zufrieden sein.
  • Auch schon mit weniger voll zufrieden sein
  • Mit dem was ich jetzt habe voll zufrieden sein

Ich merke, wie es mit schwerfällt, voll zufrieden zu sein (also so, dass die Suche ein Ende hat), wenn ich weiss, dass es noch billiger, besser, schneller, qualitativ hochwertiger usw.  gegangen wäre. Kann ich die innere Suche beenden, auch wenn ich weniger habe, als möglich wäre?
Hier braucht es persönliches Training, sonst sind wir immer auf der Jagd und die vielen Möglichkeiten und Optionen werden zu einer ständigen Ablenkung.


Dienstag, 12. August 2014

Sind Moslems wirklich unfähig zur Selbstkritik?

Unter diesem provokanten Titel veröffentlichte der halbägyptische Autor Oliver Jeges einen Kommentar in der Tageszeitung "Welt". Ich finde ihn sehr lesenswert und möchte hier gerade angesichts der aktuellen politischen Geschehenisse wärmstens darauf hinweisen: http://hd.welt.de/ausgabe_a/forum/article130895278/Sind-Muslime-wirklich-unfaehig-zur-Selbstkritik.html

Harry Potter doch nicht vom Teufel?

Der Harry Potter Hype ist ja nun doch schon einige Jahre vorbei. Als der ersten Band herauskam war die Diskussion in christlichen Kreisen hell entbrannt, ob man seine Kinder diese Bücher lesen lassen könne, wo es doch so offensichtlich um Zauberei, Hexen und Okkultes ginge. Die Diskussion ist bis heute nicht abgebrochen.

Ein ganz neues Licht auf die Potter Serie wirft nun eine psychologische Studie.

Italienische Psychologen haben in einer Umfrage die "größte Zauberei Harry Potters" aufgedeckt: Kinder, die seine Bücher gelesen 
haben, sind toleranter gegenüber sozialen Minderheiten. In drei Versuchen wollten die Forscher herausfinden, ob die Auseinandersetzung mit den "Harry Potter" Büchern die Einstellung gegenüber Minderheiten verändere. Dies sollte an den Einstellungen zu den "stark stigmatisierten Gruppen" von Immigranten, Homosexuellen und Flüchtlingen gezeigt werden.
Unter unterschiedlichen Forschungsbedingen würde Fünftklässler untersucht, 16-20 jährige und Studenten.
Die Studie machte bei den Fünftklässlern deutlich, dass diejenigen, die sich mit Harry Potter identifizierten eine veränderte Haltung gegenüber Migranten zeigten. Bei den Kindern, denen Passagen vorgelesen wurden, die von Diskriminierung handeln, zeichnete sich ein deutliches Bild ab: Wer sich mit Harry Potter identifizierte, zeigte am Ende der Studie eine positivere Einstellung gegenüber Immigranten.
Auch bei den 16-20 jährigen Forschungsteilnehmer waren die Ergebnisse ähnlich. Wer mehr "Harry Potter"-Bücher gelesen hatte und sich mehr mit ihm identifizierte, zeigte eine größere Toleranz für Schwule und Lesben. 
Bei den Studenten würde eine Onlinebefragung durchgeführt. Dieser dritte Test bestätigte die Ergebnisse der beiden vorherigen: Wer mehr Bücher über Harry Potter gelesen hatte, konnte die Perspektive von Flüchtlingen besser einnehmen. Nach dieser Studie könnte "Harry Potter" also schon bald auf dem Lehrplan stehen - als Lektüre für mehr Toleranz. "Bildungseinheiten, die auf Fantasy-Bücher, ähnlich wie ,Harry Potter', aufbauen, könnten die Beziehungen mit unterschiedlichen Typen stigmatisierter Gruppen verbessern", schreiben die Wissenschaftler in ihrem Resümee.

Ich möchte die mögliche Gefahr einer Verharmlosung des Okkulten durch diese Bücher nicht verharmlosen. Aber wenn ich mir die Nachrichten in diesen Wochen anschaue mit den vielen Kriegsschauplätzen, der Verfolgung von Minderheiten und der gewalttätigen Intolleranz, dann müssen wir alles fördern, was die Toleranz, das Verständnis, das Erbarmen und das Einfühlungsvermögen anderen und besonders Minderheiten gegenüber unterstützt und entwickelt.

Es gibt gewiss größere Unterstützer auf diesem Weg als Harry Potter. Aber ich freue mich darüber, wenn eine so beliebte Kinderbuchserie erwiesenermaßen dazu einen Beitrag leistet.