Samstag, 25. April 2015

Der breite und der schmale Weg

Im Moment lese ich in meiner stillen Zeit das Matthäusevangelium. Wenn mir hin und wieder etwas Spezielles ins Auge fällt habe ich vor das hier zu bloggen.

Anfangen möchte ich mit einem bekannten Vers aus der Bergpredigt:
Mt.7,12+13: Gehet ein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die ihn finden.

Immer wieder werden diese Verse benutzt, um deutlich zu machen, wie viele Menschen auf dem Weg in die Hölle sind und wie wenige den Weg zum ewigen Leben finden.
Diese Deutung drängt sich auf, wenn man die Übersetzung von Luther benutzt. Etwas anders klingt der Text bereits, wenn man eine modernere Übersetzung liest:
Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind dorthin unterwegs. Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der ins Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden! (NEÜ)

Hier wird „Verderben“ übersetzt und nicht „Verdammnis“. Aber welches Wort wird hier im griechischen Text benutzt?
Das griechische Wort an dieser Stelle (απωλεια, apoleia) kommt 20 Mal im NT vor. Allerdings nur zweimal im Matthäusevangelium. An dieser Stelle und bei der Salbung in Bethanien. Dort wird das Wort folgendermaßen verwendet:
Mat 26:7  Während des Essens kam eine Frau herein, die ein Alabastergefäß mit sehr kostbarem Salböl mitbrachte. Sie goss Jesus das Öl über den Kopf.
Mat 26:8  Als die Jünger das sahen, waren sie empört. "Was soll diese Verschwendung (apoleia)?", sagten sie.
Mat 26:9  "Man hätte dieses Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können."

Matthäus gebraucht an dieser eindeutigen Stelle das Wort im Sinne von „Vergeudung “, „Verschwendung“. Natürlich kann apoleia auch Verderben, Zerstörung oder Vernichtung bedeuten, aber Matthäus gebraucht dieses Wort eben für Verschwendung und Vergeudung.
Will dieser Vers also wirklich sagen, dass der Großteil der Menschen in die Hölle kommt und nur ganz wenige in den Himmel? Zunächst einmal steht überhaupt nichts von Himmel oder Hölle in diesen Versen. Wenn, dann steht dort etwas von Verschwendung und Leben.
Wenn ich also mit diesem Blickwinkel noch einmal an den Vers herangehe, könnte man ihn durchaus auch folgendermaßen interpretieren:
Zur damaligen Zeit gab es breite, ausgebaute Wege  (meistens von den Römern angelegt) und es gab natürlich besonders viele schmale, enge Wege die entsprechend zu kleinen Toren  oder Durchgängen führten.
Diese engen Pfade, vielleicht an einer Schlucht entlang, an einem Abhang, an einem Fluss, brauchten ein ganz besonders hohes Maß an Achtsamkeit und bewusstem Gehen, wohingegen der breite, gut ausgebaute Weg und das große Tor deutlich weniger Achtsamkeit und bewusstes Laufen erforderten. Auf dem breiten Weg kann man dahin schlendern, abgelenkt sein, ohne in Gefahr zu geraten.
In diesem Sinne will Jesus durch diese beiden Verse zum Ausdruck bringen, dass es leicht geschehen kann, sein Leben zu vergeuden, zu verschwenden, nichts daraus zu machen, das eigene Leben für nichts Gutes zu verwenden und dadurch gar nicht wirklich gelebt zu haben. Das geschieht, indem man auf dem breiten Weg unterwegs ist, also unachtsam, abgelenkt und wenig bewusst lebt.
Dahingegen führt der schmalen Weg, also das bewusste und achtsame Leben zu wahrem Leben, zu erfülltem Leben, einem Leben das nicht verschwendet und vergeudet wurde, dessen Lebensenergie sich nicht für Sinnloses verschwendet hat.
Es geht in diesen Versen also überhaupt nicht um die Hölle oder das ewige Leben, sondern darum das eigene Leben zu vergeuden, anstatt wirklich bewusst und im Geiste Jesu gelebt zu haben.
Wie man sein Leben nicht vergeudet,  sondern bewusst, achtsam und sinnerfüllt lebt, genau das macht Jesus im Vers zuvor deutlich:
Mat 7:12  Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch für sie! Das ist es, was Gesetz und Propheten fordern. Mat 7:13  Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind dorthin unterwegs.

Wer also so aufmerksam, achtsam und bewusst lebt, dass er die Erwartungen und Bedürfnisse anderer Menschen wahrnimmt und ihnen dementsprechend Gutes tut, genau der vergeudet sein Leben nicht, verschwendet sein Leben nicht für Egoismus und die eigenen Bedürfnisse. Aber dieser Weg ist eben schmal, anstrengend, erfordert Konzentration und Achtsamkeit. Wer einfach so dahin schlendert im Leben, so dahinlebt, nimmt die Bedürfnisse anderer nur wenig wahr, tut dadurch wenig Gutes und vergeudet vieles von dem, wozu sein Leben eigentlich gedacht und berufen ist.

Und genau diesen Gedanken, das Leben nicht zu vergeuden, die eigene Kraft, Energie und Stärken nicht zu verschwenden formuliert Jesus immer wieder. Ganz explizit macht er es im Gleichnis von den anvertrauten Talenten im Mt.25.

Freitag, 17. April 2015

Zimzum der Liebe



In den Ferien haben Nina und ich gemeinsam ein Ehe-Buch gelesen.
http://645e533e2058e72657e9-f9758a43fb7c33cc8adda0fd36101899.r45.cf2.rackcdn.com/harpercollins_us_frontbookcovers_648H/9780062194244.jpgEs stammt von Rob und Kristen Bell. Ja, dem Rob Bell. Es hat den seltsamen Titel: The Zimzum of love. Zimzum (hebr. צמצום, wörtlich ‚Konzentration‘ oder ‚Kontraktion‘), ist nach der Kabbala die Selbstkontraktion Gottes aus seiner eigenen Mitte. Es entsteht ein mystischer Hohlraum, durch den die Existenz des Weltalls überhaupt erst möglich gemacht wird.
Dahinter steht der Gedanke, dass neben einem allmächtigen Gott nichts anderes existieren kann. Es gibt keinen Raum für eine andere Existenz. Nur durch die freiwillige Selbstbeschränkung Gottes entsteht Raum für etwas anderes zu existieren. Indem Gott auf ein Stück seiner Macht verzichtet, entsteht erst die Möglichkeit einer Schöpfung. Du und ich haben nur die Macht zu atmen und zu leben, weil Gott auf ein Stück seiner Macht verzichtet hat.
(Ganz ähnlich argumentiert übrigens auch der jüdische Philosoph Hans Jonas, der in der freiwilligen Selbstbeschränkung Gottes nun auch Raum für das Böse sieht und so für sich eine Erklärung der Theodizee-Frage besonders im Lichte des Holocaust findet).
Aber zurück zum Thema. Das Buch ist kein Eheratgeber. Es wartet nicht auf mit einer Fülle praktischer Tipps und Ratschläge. Es beschreibt vielmehr das Mysterium Ehe und versucht zu beschreiben, welche Dynamik, Wechselwirkung und Energie im Zentrum einer Ehe herrschen.
Durch die Liebe und die Vereinigung von Mann und Frau entsteht solch ein Zimzum, ein neuer Raum, ein gemeinsamer Raum, der das eigentliche Herzstück einer jeden Ehe ist.
Was ich in meinen Predigten oft als Wohlwollentank bezeichnet habe, fassen die Bells in neue Begriffe.
Im Grunde ist es sich sehr ähnlich. Diesen gemeinsamen Raum der Ehe gilt es zu hegen und zu pflegen, aus ihm fließt die Energie und Kraft der Ehe und dieser Raum ist immer wieder gefährdet.
In vier Kapiteln beschreiben sie die Eigenschaften dieses Zimzum.
Man hat nach dem Lesen dieses Buches keine neue To-do-Liste, was man alles umsetzen möchte, vielmehr staunt man über das Mysterium Ehe und hat den Eindruck ihm ein wenig mehr auf die Spur gekommen zu sein.

Hier zwei kleine Videos der beiden als Teaser für das Buch:


Samstag, 4. April 2015

Die Tyrannei der Wunder

Vor kurzem war ich auf einer tiefblauen Konfernz, um die trinitarische Nomenklatur von Christian Schwarz zu gebrauchen. Der Redner erzählte die spektakulärsten Wunder, Taube konnten wieder hören, Krebs war verschwunden und es dauerte nicht lange, bis sich in einer Ecke des Saales Goldstaub am Boden manifestiere und sich die Hände eines Probanten mit aus dem Nichts auftauchenden Öl füllten. Jedem wurde Heilung und Gottes übernatürliche Hilfe zugesagt.

Ich glaube an Wunder und all die übernatürlichen Phänomene. Habe ich doch selbst dazu vor Jahren ein Buch geschrieben. Wenn wir aber das per Definition Außergewöhnliche, das Wunder, zur Normalität und zum Verfügbaren erklären und werden Wunder zum Repertoire des Möglichen oder sogar Notwendigen, dann landen wir bei der Tyrannei der Wunder.

Kommt dann die Hilfe oder die Schmwerzfreiheit vom Arzt oder vom Medikament, von der Physiotherapie oder der Entspannungsmassage, vom Hörgerät oder der Brille, dann ist das zwar schön, aber eben immer nur das Zweitbeste. Ständig macht uns das anscheinend immer zur Verfügung stehende Wunder ein schlechtes Gewissen und trübt die Freude an der Besserung, denn eigentlich hätte das Wunder zum Zug kommen sollen. Wenn tiefblaue Theologie die Verfügbarkeit der Wunder predigt, uns das Leben aber deren Unverfügbarkeit lehrt, dann macht diese Theologie das Wunder zum Tyrannen. Immer wieder scheitert man an seinen Ansprüchen und Forderungen.

Echter Glaube ermöglicht es, mit Wundern zu rechnen. Sie geschehen. Wer sie aber zur Normalität erklärt, ständig verspricht, in Superlativen von ihnen redet und  kein Limit beimisst, der predigt eine gnadenlose Wundertheologie, die alles andere in den Bereich des Verlierens verweist, selbst wenn es mir besser geht oder alles wieder gut ist. Diese Wunder dulden nichts neben sich. Sie erklären nur das Übernatürliche für erstklassig und dem Göttlichen angemessen.

Ich gehe von solchen Konferenzen mit gemischten Gefühlen nach Hause. Einerseits fasziniert von der Möglichkeit des Übernatürlichen und der Schönheit des direkten Eingreifens Gottes, auf der anderen Seite abgeschreckt von dieser Einseitigkeit, die sich im Diktat des Übernatürlichen ausdrückt und allem "Natürlichen" das Stigma der Zweitklassigen anheftet.

Dienstag, 17. März 2015

Start unserer Gemeindekampagne

Am vergangenen Sonntag ist unsere Gemeindekampagne gestartet.
Gemeindekampagne bedeutet, dass nicht nur eine Predigtserie gehalten wird, sondern zusätzlich Arbeitsmaterial erarbeitet wurde, um das Thema der Sonntage in der persönlichen Stillen Zeit und in den Kleingruppen zu vertiefen.
Thema der Kampagne ist: »Unterwegs zu den Menschen«.
Im Grunde geht es um das Thema Evangelisation. Uns ist aber durchaus bewusst, dass genau dieses Thema für ganz viele Christen ein rotes Tuch ist. Die Vorstellungen in den Köpfen von Evangelisation sind oft derart gestaltet, dass zwar alle  der Überzeugung sind, dass Evangelisation  ungeheuer wichtig ist, sich aber trotzdem kaum einer  dafür erwärmen kann.
Während dieser Kampagne möchten wir genau diese Problematik aufgreifen. Es geht uns ganz stark um missionale Gewohnheiten, die Teil unseres Alltags werden und die für uns keinen zusätzlichen  oder  unnatürlichen Aufwand bedeuten. Zudem möchten wir aus der Apostelgeschichte lernen, wie die ersten Christen unterwegs waren zu den Menschen und was sie dabei Spannendes erlebt haben.
Wir wollen Evangelisations weg holen von der Fokussierung auf das Retten der Menschen vor der Hölle. Wir verstehen Verlorenheit wesentlich breiter als nur mit diesem Fokus. Wir wollen alle Christen wieder an Bord holen bei diesem Thema und deutlich machen, dass wir alle bereits Evangelisten sind  und es nicht erst werden müssen. Wir wollen, dass sich nicht länger der Großteil der Christen in Bezug auf dieses Thema als Versager fühlt.
Die Predigten zum Thema lassen sich wie immer nachhören oder nachsehen. Insgesamt dauert die Kampagne zehn Wochen und wer Interesse an einer Umsetzung in der eigenen Gemeinde hat, kann sich gerne bei uns melden.


Samstag, 28. Februar 2015

Was ist eigentlich Verlorenheit?

Wozu ist Jesus gekommen?
Lk.19,10: Der Menschensohn ist gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten.«
Genau dazu ist Jesus gekommen, um Verlorene zu suchen. Jesus spricht immer wieder von Verlorenen. Was meint Jesus damit, wenn er von Verlorenen spricht?

Leider geschieht es nur allzu oft, dass wir bei Verlorenheit gleich an die Hölle denken.
"Verlorene sind Menschen, die nicht in den Himmel, sondern in die Hölle kommen."
Diese einseitige Vorstellung von Verlorenheit bewirkt leider oft, dass wir ganz bequem bei der Denkkategorie »wir und die anderen« bleiben können. Wir kommen ja in den Himmel und die Verlorenen in die Hölle.
Aber es ist ja genau dieser Ansatz, der zur Distanz führt, der uns in die Rolle der Pharisäer bringt und dieses Überlegenheitsgefühl erzeugt, dem sich keiner freiwillig nähern möchte.
Aber um Jesus herum scharen sich ja die Verlorenen. Er hat ja genau keine Distanz aufgebaut zu diesen Menschen. Und auch uns gelingt das nur, wenn wir Verlorenheit viel breiter auffassen.

Was ist Verlorenheit?
Verlorenheit bedeutet eben in erster Linie nicht, in die Hölle zu kommen. Hölle spielt nicht die dominante Rolle in der Bibel und in der Botschaft Jesu, wie das später im Mittelalter und in mittelalterlichen Abbildungen der Fall ist. Ein ganzer Teil der jüdischen Gläubigen glaubte nicht einmal an ein Leben nach dem Tode und in weiten Teilen des alten Testaments finden wir auch nichts von einem Leben nach dem Tod.
So steht zum Beispiel in der Apostelgeschichte:
Apg 23,8 Denn die Sadduzäer behaupten, dass es weder eine Auferstehung noch Engel oder Geister gibt, während die Pharisäer an all das glauben. 
Diese religiöse Gruppe der Sadduzäer glaubte nicht an eine Auferstehung oder ein Leben nach dem Tod. Für einen Juden zur Zeit Jesu war das wichtigste nicht die Höllenvermeidung.
Bei uns ist ja ganz schnell Frömmigkeit und Gehorsam motiviert vom Ziel, es Gott recht zu machen, damit man nicht in die Hölle kommt. Der Jude zur Zeit Jesu denkt aber nicht gleich an die Hölle, sondern er möchte mit dem ihm anvertrauten Leben verantwortungsvoll und gerecht vor seinem Schöpfer leben. Denn diesem Schöpfer verdankt er sein Leben und dieser Schöpfer bewahrt und führt sein Leben und dieser Schöpfer segnet und versorgt ihn.
Der Jude ist nicht von der Strafe motiviert, sondern vom Bund, den er mit Gott geschlossen hat. Er ist diesem Gott verpflichtet, ganz gleich ob es ein Leben nach dem Tod gibt, einen Himmel oder eine Hölle. Ich will doch Gott nicht gehorsam sein wegen einer möglichen Hölle, sondern weil ich in einem Bund mit ihm stehe. Und einen Bund gilt es unter allen Umständen einzuhalten. Und darum muss aus unseren Köpfen der Gedanke heraus, dass es bei Verlorenheit vor allem um die Hölle geht.
Wenn Jesus Menschen vor der Verlorenheit retten möchte, dann geht es ihm nicht primär darum, vor der Hölle zu retten. Denn sonst ist Rettung auch nur für all die Menschen relevant, die an eine Hölle glauben. Für alle anderen sind wir sonst gar keine relevanten Gesprächspartner und Gott kein relevanter Retter. Wer nicht an die Hölle glaubt, und das tun heutzutage die wenigsten Menschen, der ist auch nicht an einer Rettung vor der Hölle interessiert. Das macht genauso wenig Sinn, wie jemanden eine Autoversicherung anzudrehen, der kein Auto besitzt!
Wie können wir Verlorenheit also breiter auffassen?
Wenn Jesus von Verlorenheit spricht, dann geht es um ganz viele Aspekte von Verlorenheit:

-den Weg verloren haben, den Lebensweg, den geraden Weg, den konstruktiven Weg

-Das Ziel und den Sinn verloren haben im Leben. Das betrifft ganz viele Menschen, die im Laufe der Jahre den Sinn ihres Lebens verloren haben durch Schicksalsschläge oder schlechte Erfahrungen oder Misshandlung oder Entbehrung. Wenn es bei Jesus nur um die Rettung vor der Hölle geht, sind diese Menschen erst mal nicht interessiert.

-Die Perspektive, die Hoffnung verlieren. Wie viele Menschen haben ihre Hoffnung verloren, je wieder aus ihrem Schlamassel, aus ihrer Schuld, aus dieser Armut, aus dieser Verzweiflung, aus diesem schlechten Gewissen, aus diesen Selbstvorwürfen herauszufinden.

-Das Maß verloren haben  Auch das betrifft viele Menschen, die in verschiedenen Lebensbereichen das Maß verloren haben. Ihr Leben ist gekennzeichnet von massloser Gier oder maßlosem Essen oder maßloser Geldverschwendung. Sie sind masslos ehrgeizig oder neidisch. Sie haben das Maß verloren wenn es um Alkohol geht, Computerspiele oder Sexualität. Sie haben ihr zeitliches Mass verloren, das Maß für ihre Arbeit verloren und schuften sich zu Tode, vernachlässigen Ehepartner oder Kinder.

-Diejenigen, die die Verbindung zu anderen Menschen verloren haben. Menschen, die Beziehungen verloren haben, den Verlust oder den Tod eines Menschen erlebt haben. Menschen, die in die Isolation oder an den Rand geraten sind und nicht mehr zurückfinden in gesunde Beziehungen und Freundschaften. Menschen die innerlich zugemacht haben, verschlossen sind und sich einfach nicht mehr öffnen können.

-Menschen, die Wertschätzung & Anerkennung verloren haben. Ihr Leben ist dominiert von Schuldgefühlen oder von Scham. Sie wurden verletzt, zu Opfern gemacht und ihrer Würde beraubt.

-Menschen, die ihren Frieden verloren haben. Sie fühlen sich als Getriebene, kommen nie zur Ruhe, können sich selbst nicht vergeben. Sie leben in dauernder Auseinandersetzung und Streit mit anderen. In ihnen tobt ein Sturm, sie liegen innerlich auf der Lauer und erklären jedermann zu ihrem Feind.

-Und zu guter Letzt Menschen, die ihre Moral verloren haben. Sie sind auf die schiefe Bahn geraten. Sie haben sich mit den falschen Menschen eingelassen. Ihr Leben wurde unehrlich, betrügerisch. Sie haben ihre Integrität verloren, sie haben ihre Werte dem Erfolg oder dem Geld geopfert. Sie haben ihre Unschuld verloren.

Verlorenheit kann so vielfältig sein und wenn wir Menschen nur vor der Hölle retten wollen, dann haben wir nur eine sehr einseitige Botschaft und eine kleine Zuhörerschaft.
Viele denken, wenn das Thema Hölle vom Tisch ist, dann macht Evangelisation keinen Sinn mehr.
Aber ich sage: wenn das Thema Hölle vom Tisch ist, dann geht es erst richtig los! Dann kann ich ganz vielfältige Rettung zu den Menschen bringen. Wenn es bei Evangelisation nicht nur um die Rettung vor ewiger Verlorenheit geht, dann kann ich die Menschen endlich auf das vielfältige Angebot hinweisen, wo Gott retten möchte und wo er Menschen das Leben wiederfinden lassen möchte, das er ihnen zugedacht hat.

Evangelisation geschieht nicht nur dann, wenn einer in den Himmel kommt und vor der ewigen Verdammnis errettet wird. Evangelisation geschieht überall dort, wo die verschiedenartigste Verlorenheit im Leben von Menschen überwunden wird. Wenn Evangelisation erst dann geschieht, wenn sich einer bekehrt oder in den Himmel kommt, dann fühlt sich der Großteil der Christen ständig als Versager. Denn die wenigsten machen genau dieses Erlebnis, dass sich jemand bei ihnen bekehrt. Wenn Evangelisation aber auch bedeutet, Gottes rettende Kraft in all die vielen verlorenen Lebensbereiche der Menschen zu bringen, dann sind wir plötzlich alle Evangelisten oder zur Evangelisation fähig!

Evangelisation ereignet sich dann auch,
-Wenn ich Gottes heilende Kraft bringe, da wo Menschen ihre Gesundheit verloren haben
-Wenn ich Gottes Weisheit und Rat bringe, da wo Menschen ihren Weg verloren haben
-Wenn ich Gottes Frieden bringe, da wo Menschen ihre Geborgenheit verloren haben
-Wenn ich Gottes Hoffnung bringe, da wo Menschen ihre Perspektive verloren haben
-Wenn ich Gottes Würde bringe, da wo Menschen ihr Gesicht verloren haben.
All das ist Evangelisation im eigentlichen Sinne: eine gute Botschaft bringen.
Und ich bin davon überzeugt, dass jedes Erlebnis mit der Retterliebe Gottes Menschen Stück für Stück näher dazu bringt, Gott die gesamte Herrschaft ihres Lebens anzuvertrauen.

Jesus hat genau solche verlorenen Menschen gesucht. Für ihre vielfältige Verlorenheit wollte er die Rettung sein. Und die Menschen haben das gespürt und die Verlorensten von allen haben sich in Scharen um ihn versammelt. Sie haben gehofft, dass Jesus ihnen hilft ihren Weg, ihre Perspektive, ihre Würde, ihre Menschlichkeit, ihre Moral, ihren Frieden, ihre Unschuld  und ihre Hoffnung wiederzufinden.

Wenn wir Verlorenheit in diesem Sinne verstehen, dann gibt es plötzlich kein »die und wir« mehr. Dann geschieht Mission und Evangelisation auf Augenhöhe! Dann gibt es kein christliches Gefälle hin zum Rest der Welt. Dann kann man auch von uns sagen: Freunde der Sünder und Zöllner.
Dann kann ich mich nicht vom Rest der Welt absondern indem ich sage: ich komm ja in den Himmel. Wenn Verlorenheit so umfassend gemeint ist, dann bin auch ich immer wieder ein Verlorener und dann brauche auch ich immer wieder Rettung. Denn auch ich verliere zwischendurch meine Perspektive, auch ich verliere immer wieder das Maß, auch ich verliere von Zeit zu Zeit meinen Frieden, auch ich verrenne mich in verkehrte Wege, Haltungen und Überzeugungen. Auch nach vielen Jahren Christsein brauche ich immer noch einen Retter, selbst wenn die Ewigkeitsfrage schon längst geklärt ist. Erst wenn ich das verstanden habe, kann ich auch die anderen wichtigen Aussagen Jesu befolgen, wo er uns auffordert andere nicht zu richten oder zu verdammen oder zu verurteilen.



Mehr zu dieser Thematik am 15.3.15 im Gottesdienst der Basileia Vineyard Basel,

17.30 in der Theodorskirche in Basel!


Freitag, 20. Februar 2015

Der Liebes-Code

Unter diesem Titel wurde jüngst in der Welt ein Artikel von Nicola Erdmann veröffentlicht, der sich mit der Frage beschäftigt was wahre Liebe zwischen Ehepaaren wirklich ausmacht.
Für eine dauerhafte Beziehung braucht es mehr als Verliebtheit, Erotik und Leidenschaft.
Irgendwie ist das allen klar, und doch sind es genau diese Gefühle, nach denen die meisten Ausschau halten.
Besonders wichtig für eine Beziehung sind gemeinsame Ziele,  ähnliche Werte und Moralvorstellungen.Es ist die Summe der Gemeinsamkeiten, die eine Beziehung stark macht.Gerade weil sich Gegensätze anziehen ist es so wichtig, auf das Gemeinsame zu achten.
Es sind die Gemeinsamkeiten, die gemeinsamen Interessen, der gemeinsame Glaube, die gemeinsamen Hobbys, die gemeinsamen Ziele, die gemeinsamen Kinder, die gemeinsamen Ferien die den Liebestank füllen, den Wohlwollen Tank.
Und es sind die Unterschiedlichkeiten, die natürlich unvermeidbar sind, die genau diesen Tank leeren.

Romantik am Rhein
Offensichtlich scheint es immer schwerer zu werden, den richtigen Partner zu finden. Das immer spätere Heiratsalter  liegt ja nicht nur an der verlängerten Ausbildung, sondern auch an der Schwierigkeit, sich für einen Partner konkret zu entscheiden. Erdmann schreibt:
Sarah war sieben Jahre lang Single. Im Sommer 2010 lernt sie bei der Arbeit Felix kennen, einen der "nettesten Menschen der Welt", wie sie bald von ihm sagt, aber Interesse an ihm als Mann hat sie nicht. Optisch ist er nicht ihr Typ, außerdem ist er ziemlich klein, sie hat andere Vorstellungen. Doch sie arbeiten über Wochen zusammen, er zeigt irgendwann ziemlich deutlich sein Interesse an ihr, sie sind sich einig über zentrale Fragen, haben die gleichen Ziele, den gleichen Humor. Sarah mag Felix – und als er sie irgendwann küsst, findet sie es okay.
Ein paar Wochen später werden sie ein Paar – es ist unkompliziert mit ihm, er ist zuverlässig, sie verstehen sich. "Ich war so lange Single", sagt Sarah, "und ich dachte mir einfach: Es stört mich nichts Gravierendes, wir verstehen uns so gut, ich sollte das jetzt einfach mal machen." Und bis heute hat sie es nicht bereut, im Gegenteil: Sarah ist sehr glücklich mit Felix, sie hat ihn in Sachen Zuneigung inzwischen aufgeholt.
Der Artikel fragt sinnig, ob solch ein Start in eine Beziehung überhaupt sein darf? So nüchtern, so überlegt, ohne Schmetterlinge im Bauch. Kann das Liebe sein?
Doch gerade neue Studien zeigen, dass der Schlüssel zum Glück »Vernunft« heißt. Auch hier noch einmal ein Zitat aus dem Artikel:
Gewiss, klassischerweise beginnen Beziehungen mit erotischer Anziehung – wer Glück hat, überführt diese dann nach zwei bis vier Jahren in eine Partnerschaft mit freundschaftlicher Liebe. Dafür, dass es eben auch andersrum funktioniert, ist Susanne Wendel das Paradebeispiel. Die heute 42-Jährige tat sich 2011 mit Frank-Thomas zusammen – aus reiner Pragmatik: "Mir war nie einer gut genug, aber dann war ich plötzlich Ende dreißig und wollte noch ein Kind." Da habe sie sich gesagt: "Gut, ich nehme jetzt einen, der da ist." Das war ihr guter Freund Frank-Thomas. Er wollte das Gleiche und ließ sich ein auf den Plan "wir versuchen es jetzt einfach mal" – samt Verlobung. "Es gab weit und breit keine Funken oder Schmetterlinge", erzählt Susanne Wendel. "Zunächst war das wirklich eine riesengroße Überwindung." Das mag befremdlich klingen, für die beiden jedoch war es der Weg zum heute perfekten Lebensglück. Mittlerweile sind sie Eltern eines Sohnes und "total happy".
Wenn in der Gesellschaft Romantik und die Schmetterlinge im Bauch immer noch der Leitstern  für das Eingehen einer Partnerschaft sind, ist es bei uns Christen oft die göttliche Führung.
Auch hier macht so manches Mal die Vernunft oder die objektiven Gemeinsamkeiten der göttlichen Fügung und dem Wunder des Kennenlernens Platz.

Der Artikel erwähnt einige neueste Untersuchungen, was Paare scheinbar zusammenhält. Das eine oder andere finde ich doch sehr bemerkenswert:
Psychologen der University of Virginia haben herausgefunden, dass dreimal am Tag 90 Sekunden Zeit für den Partner genügen sollen, um eine Beziehung stabil zu halten.
Diese Erkenntnis stimmt mich doch eher traurig als hoffnungsvoll. Auf welchem Niveau  müssen sich Beziehungen befinden, dass sie durch 4,5 Minuten Zuwendung am Tag stabil bleiben?
Andere Wissenschaftler sagen, dass Berührungen das Wichtigste für die Zufriedenheit sind, und dabei seien Küsse wichtiger als Sex. Bis zu 100.000 von ihnen verschenken wir im Laufe des Lebens an Partner, mit einer mittleren Dauer von zwölf Sekunden.
Bemerkenswert finde ich die Erkenntnis, dass Beziehungen dadurch glücklich werden, wenn auf fünf positive Interaktionen zwischen Partnern nur eine negative kommt!
Mit dieser Gottmann-Konstante lässt sich in mehr als 90 Prozent aller Fälle korrekt vorhersagen, ob ein Paar sich trennen wird. Bei Paaren, wo negative Interaktionen sogar bereits in der Öffentlichkeit vorkommen, ist es um die Zukunft schlecht bestellt.
Ich denke diese Gleichung gilt nicht nur für Ehepaare sondern ganz allgemein für zwischenmenschlichen Umgang. Auch in unseren Gemeinden und im Umgang  mit Mitarbeitern wäre diese Konstante äußerst hilfreich!

Freitag, 6. Februar 2015

Lustige Gründe, warum Kinder weinen




Mit einer drei Monate alten Tochter erlebt man viel Weinen und Quengeln, dem man keinen Grund zuordnen kann. Manchmal wäre man froh, man wüsste, was wieder einmal der Grund für eine weitere Schreiattacke ist. Alle Eltern von kleinen Kindern wissen wovon ich rede!
Es gibt aber auch außerordentlich lustige Gründe, warum Kinder in Tränen ausbrechen. Dahinter steckt oft eine ganz kindliche Logik, die für uns Großen kaum mehr nachvollziehbar ist!
Auf dieser Internetseite findet man einige davon:

kids-crying-funny-reasons-26
kids-crying-funny-reasons-30
kids-crying-funny-reasons-13

kids-crying-funny-reasons-5

Dienstag, 20. Januar 2015

Missionale Gewohnheiten

Vor kurzem habe ich schon einmal auf die interessante Webseite von Exponetial hingewiesen.
Seit Monaten beschäftigen sie sich in ihren Veröffentlichungen mit missionaler Theologie und einem missionalen Lebensstil.
Da ich selbst gerade sehr am überlegen bin, wie Christen einen missionalen Lebensstil entwickeln können, finde ich die dortigen Ressourcen äußerst hilfreich.
Gerade lese ich das gratis E-Book von Michael Frost mit dem Titel "The Five Habits of Highly Missional People"
Darin fasst Frost 5 Gewohnheiten zusammen, die unbedingt notwendig sind, um einen missionalen Lebensstil zu entwickeln.
Die jeweiligen Anfangsbuchstaben dieser 5 Gewohnheiten ergeben das englische Wort BELLS (Glocken; (1) bless others, (2) eat missionally, (3) listen to the Spirit, (4) learn Christ and (5) be sent into your neighborhood).
Eine Kurzzusammenfassung findet man hier.
Besonders interessant finde ich den Gedanken, der von Alan Hirsch stammt, dass wir in unserer Theologie die Reihenfolge wieder richtig hinbekommen müssen: Christologie-Missiologie-Ekklesiologie.
Christology →  Missiology →  Ecclesiology.  Our God/Christ is the one who determines the mission (God’s Mission) which then determines or shapes the church.  It is to say “the church doesn’t have a mission, but the mission has a church.”  Our God is a missionary God.  The Church is God’s tool in fulfilling His mission in the world “to seek and to save that which is lost” (Lk 19:10; 1 Tim 2:4).  Our churches need to be centered around God’s mission and the mission should shape everything we do.  At the same time we have been chosen as God’s ambassadors to the world to fulfill the mission. 
Zu oft haben wir den Eindruck, dass Gott eine Kirche wollte, und diese sich jetzt aussuchen kann, wozu sie da sein möchte, was ihre Schwerpunkte sein sollen und welchen Aspekt des Reiches Gottes sie verwirklichen will. Der Gedanke, dass Gemeinde vor allem das Instrument von Gottes große Mission ist, hat etwas revolutionäres an sich. Muss ich da nicht alles Gottes leidenschaftlicher Suche  nach verlorenen Menschen unterordnen?
Spricht Jesus nicht genau davon, wenn er beschreibt wie der Hirte 99 Schafe alleine lässt, um ein Verlorenes zu finden?

Ich persönlich würde die Gewohnheiten von Frost etwas verändern oder anpassen. Falls ich in diesem Punkt weiter gekommen bin, wird es hier einen neuen Post geben.

Mittwoch, 7. Januar 2015

Was ich gerade lese...Vanishing Grace

Zur Zeit lese ich das brandneue Buch von Philip Yancey: "Vanishing Grace" (verschwindende Gnade). Schon so manches Buch von ihm war für mich eine große Quelle der Inspiration.
Eine Liste all seiner Veröffentlichungen auf Deutsch findet sich hier.
In seinem neuesten Buch, wiederum zum Thema Gnade, geht er der Frage nach, warum von Christen so viel Härte und Unbarmherzigkeit ausgeht anstatt dass sie Gnade verbreiten. Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass sich der Ruf besonders evangelikaler Christen in den USA gravierend zum Negativen verändert hat.
Die Gute Botschaft, die wir eigentlich verbreiten sollten wird von vielen Menschen inzwischen als sehr schlechte Botschaft wahrgenommen.
Gleichzeitig hat er wahrgenommen, dass drei Gruppen von Christen besonders geeignet sind, Gnade zu vermitteln:
  • Aktivisten: das sind Menschen, die ganz praktisch die Liebe Gottes durch Werke der Barmherzigkeit weitergeben. Sie praktizieren Nächstenliebe, sie sind die barmherzigen Samariter und reden nicht nur davon.
  • Künstler: ihnen gelingt es seit Jahrhunderten durch kreative Ausdrucksformen und Kunst  ein besonderes Licht auf die Gnade Gottes zu werfen.
  • Pilger: das sind Menschen, die Christsein als eine Reise verstehen, zu der sie andere einladen. Sie sind nicht von einem Drinnen oder Draußen geprägt, sondern von der Einladung, sich ihrer eigenen Reise und Suche anzuschließen.
Ein ausführliches Interview mit Philip Yancey auf Deutsch findet sich hier.

Eine Kurzvorstellung seines Buches kann man hier sehen:


Es gibt auch eine Predigt von Yancey, in der er große Teile seines Buches zusammenfasst. Das wäre die Alternative zum Lesen des Buches.


Ich wünsche viele Inspirierendes Momente!

Originelle Eltern


While Their Kids Were  Asleep, These parents Pull Of This Amazing Stunt... -   Misc


Donnerstag, 1. Januar 2015

Großartige Resource für Leiter


Wer es noch nicht kennt, dem möchte ich es auf diesem Wege bekannt machen.

Die Organisation Exponential setzt sich dafür ein, Leiter zu Multiplikatoren zu machen und einen missionarischen Lebensstil in Gemeinden und dem Leben einzelner Christen zu prägen. Auch Jüngerschaft ist ein wesentliches Thema.


Auf ihrer Webseite heißt es:

Exponential is a growing community of leaders committed to accelerating the multiplication of healthy, reproducing faith communities. We equip movement makers with actionable principles, ideas and solutions. We are passionate about accelerating multiplication through movement makers! 

Auf ihrer Internetseite finden sich gehaltvolle und aktuelle Ressourcen für ganz praktische Fragen des Gemeindebaus.

Es lassen sich dort kostenlose eBooks in verschiedenen Formaten herunterladen und ein Podcast abonnieren, in dem verschiedene Autoren ihre Bücher auch zusammenfassen.


Das Stöbern auf der Seite lohnt sich und einige Bücher sind besonders zu Jahresbeginn und der Frage nach den kommenden Schwerpunkten im Gemeindebau besonders hilfreich.



Mittwoch, 31. Dezember 2014

Prüft alles, das Gute behaltet - Gute theologische Filter entwickeln (Teil 2)



Im letzten Blogbeitrag habe ich deutlich gemacht, dass wir für unseren Glauben dringend theologische Filter brauchen. Es ging zunächst darum, dass ungeeignete Filter sind. In diesem Beitrag soll es darum gehen, welche Filter sich eigenen, um einen gesunden Glauben und eine gesunde Theologie  zu entwickeln.

1. Filter: das Leben Jesu.

Entspricht diese Lehre oder Glaubenspraxis der Lehre und Glaubenspraxis Jesu, wie sie uns in den Evangelien geschildert wird?


Für unsere Beurteilung einer Lehre ist das Leben und die Praxis Jesu von zentraler Bedeutung. In Jesus hat Gott sich geoffenbart, sich der Welt vorgestellt. In Jesus hat Gott deutlich gemacht: so bin ich, das ist mein Charakter, das ist meine Wahrheit!
In Christus wohnt die ganze Fülle Gottes leibhaftig, heißt es im Kolosserbrief.
Gott ist nie anders, als er sich in Christus geoffenbart hat!
Das ist der wichtigste theologische Grundsatz, den Christen verstehen müssen. Ich glaube Christus ist wirklich die einzigartige, vollkommene Offenbarung Gottes. Darum ist er die Mitte unseres Glaubens und das Kriterium aller Wahrheit.
Gott ist nie anders als Christus. Jesus ist die Biografie, das Spiegelbild, das Abbild Gottes. Nichts bildet Gott so klar ab wie Jesus in den Evangelien.

Ich glaube auch, dass andere Teile der Bibel, besonders im Alten Testament keinesfalls der Abbildung Gottes durch Jesus gleichwertig sind. Ich glaube dass viele Geschichten im Alten Testament abbilden, wie die Menschen zur damaligen Zeit Gott  verstanden haben. Aber alle Vorstellungen Gottes durch die Jahrtausende hinweg gipfeln in Jesus Christus und werden letztlich durch seine Offenbarung ins rechte Licht gestellt.

Viele Menschen und auch Christen haben große Mühe mit einigen Texten im Alten Testament, wenn Gott befiehlt, die Kanaaniter mit Stumpf und Stiel auszurotten, Männer, Frauen, Kinder, Greise und sogar deren Tiere. Aber für mich ist das eine Geschichte, eine inspirierte Geschichte, die uns etwas zeigt vom Verständnis der damaligen Menschen, die ganz Teil ihrer Welt waren. Sie wussten nicht anders von Gott zu reden als wie man eben vor 3000 Jahren von einem Gott geredet hat. Aber diese Geschichten sind keine Offenbarung des Wesens Gottes. Es sind Geschichten die etwas vom Gottesverständnis der damaligen Menschen offenbaren.

Gott offenbart sich in Jesus Christus. Und darum ist es so wichtig, dass wir dieses Leben Jesu kennen. Wir müssen zuhause sein in den Evangelien. Und darum wollte Gott auch, dass es vier verschiedene Evangelien gibt, um vier verschiedene Blickwinkel auf dieses Leben von Jesus werfen zu können und damit ein möglichst umfassendes Bild von Jesus zu bekommen. Es gibt keine 4 Apostelgeschichten, aber 4 Evangelien! Es geht wirklich um das große Bild, das von Jesus gezeichnet wird.
Wir filtern eine Lehre nicht anhand irgendeines Verses, den wir glücklicherweise in den Evangelium finden und damit eine bestimmte Lehre rechtfertigen können.
Es geht um die klaren, deutlichen Züge, die das Leben und Tun Jesu hatten.

Ein paar Beispiele:
Jesu zentrales Thema ist die Liebe.  An der Liebe, dem Wachsen von Liebe, der Verbreitung der Liebe, muss sich alles messen lassen.
Ein anderer großer Zug ist das Thema Frieden.
In der Versuchung zur Macht, Gewalt, Herrschaft hat sich Jesus immer als Friedensstifter gezeigt und der Versuchung zur schnellen Lösung durch Gewalt widerstanden.
Ein anderer großer Zug ist Jesu Stellung zu den Armen und Schwachen
Er hat sich immer auf die Seite der Bedürftigen, der Schwachen, der Zerbrochenen, der Gebeugten gestellt und war skeptisch gegenüber den Starken, den Überlegenen, den Stolzen

Wenn wir also eine Lehre prüfen wollen, dann muss sie durch den Filter des Lebens Jesu hindurchlaufen. Fördert diese Lehre ein Leben und ein Christsein, dass diese großen Züge des Lebens Jesu wiederspiegelt? Fördert diese Lehre ein Leben und einen Glauben, der diesem Bild Jesu ähnlicher wird?

2. Filter: die Reich-Gottes-Spannung

Einige Theologen haben vor ein paar Jahrzehnten ein ganz wichtiges theologisches Prinzip formuliert: es gibt ein spannungsvolles und geheimnisvolles miteinander vom "schon jetzt" und "noch nicht" des Reiches Gottes. Wir erleben in der Bibel, in der Kirchengeschichte und in unserem eigenen Leben dieses „schon jetzt“ und „noch nicht“ der Herrschaft Gottes. Wie erleben Gebetserhörungen, wo Gottes Herrschaft sichtbar kommt, Krankheiten geheilt werden, Depressionen verschwinden, Friede hergestellt wird, Lebensumstände verändert werden und der Himmel auf die Erde kommt. Wir erleben aber auch ausbleibende Gebetserhörungen, das Verbleiben vom Bösen, dass nicht geheilt werden, der Zustand von Streit und Uneinigkeit, die gleich bleibenden schwierigen Lebensumstände und einen verschlossenen Himmel.
Irdischem Leben mutet Gott dieses geheimnisvolle Miteinander bis zu seiner Wiederkunft zu.
Und mit uns sehnt sich die ganze Schöpfung nach der endgültigen Vollendung.
Paulus schreibt:
Rö.8,21 Auch sie, die Schöpfung, wird von der Last der Vergänglichkeit befreit werden und an der Freiheit teilhaben, die den Kindern Gottes mit der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird. 22 Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen. 23 Und sogar wir, denen Gott doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird.

Dieses schon jetzt und noch nicht, dieses Jubeln und Seufzen, ist das Erdreich unseres geistlichen Lebens. In dieses Miteinander sind wir eingepflanzt und in diesem Mischboden sollen und können wir gedeihen und wachsen.
Eine Lehre ist dann ungesund und sollte ausgefiltert werden, wenn sie dieses spannungsvolle Miteinander auflösen möchte. Entweder weil sie das „schon jetzt“ überbetont und behauptet, alle müssen immer geheilt werden, alle können Wohlstand erleben, jedes Problem kann mit genug Vollmacht bewältigt werden.
Es ist die Überbetonung der Machbarkeit, der Verfügbarkeit von Gottes Kraft und Geist  im Grunde genommen geistlicher Stolz und Überheblichkeit.
Oder es ist auf der anderen Seite die Überbetonung des „noch nicht“, die behauptet Gottes Kraft steht uns nicht mehr zur Verfügung, jeder muss sich in sein Schicksal fügen, man darf nichts mehr Großes erwarten, für Kranke zu beten sei unbiblisch und Geistesgaben gibt es nicht mehr. Es ist die Überbetonung der Ohnmacht, der Hilflosigkeit und der Unverfügbarkeit  von Gottes Kraft.
Und weil Menschen einfache Systeme und simple Lösungen mögen, tendieren viele Lehren und Glaubenspraxen zu einer der beiden Seiten dieses geheimnisvollen und spannungsvollen Miteinanders.
Hier müssen wir vorsichtig und behutsam sein. Hier lauert die ungesunde Lehre.

3. Filter: Ehrlichkeit

Die Lehre muss Ehrlichkeit und Echtheit fördern und darf diese nicht erschweren.

Ehrlichkeit ist ein enorm hohes Gut des christlichen Glaubens. Der christliche Glaube muss Ehrlichkeit und Echtheit fördern und darf Menschen nicht zur Heuchelei oder Unehrlichkeit verführen. Aber genau das ist christlichem Glauben immer wieder passiert. Es wurden Lehren und Glaubenssätze aufgestellt, die für Menschen irgendwie uneinhaltbar waren und zu einer Doppelmoral führten. Man hat nach außen hin etwas vorgegeben, was man in Wirklichkeit nicht glauben oder leben konnte. Die Lehre war zu anspruchsvoll, zu perfektionistische, zu weltfremd, zu abgehoben, zu mystisch, zu elitär, zu radikal… Der Normalo ist da nicht mitgekommen. Der gewöhnliche Christ erreicht diese Sphären des Glaubens nicht. Und damit haben diese besonderen Lehren das Potenzial, Menschen zur Unehrlichkeit und Heuchelei zu verführen. Dieses Phänomen finden wir ganz besonders bei Sekten, wo der starke Gruppendruck dazu führt, dass Menschen sich einer Lehre anpassen oder zustimmen, die sie vielleicht überhaupt nicht sinnvoll finden, nachvollziehen oder leben können.
Schafft diese Lehre, mit der wir da also konfrontiert sind eine Zweiklassengesellschaft? Die Könner, die Versteher, die Erleuchteten und die offensichtlich Ungeistlichen, Unfähigen, Kleingläubigen? Ist eine Lehre so elitär, dass ein ganzer Teil der Christen heucheln müsste, um vorzugeben, diese Lehre verstehen, glauben oder leben zu können? Besonders bestimmte charismatische Lehren haben so etwas abgehobenes und elitäres an sich,  dass diese Art zu glauben oder zu leben für die meisten Christen unerreichbar bleibt. Und in so manchem Fall stellt sich am Ende heraus, dass selbst der Verkündiger dieser Lehre nicht wirklich in der Lage war, diese zu leben, sondern ein Heuchler war.

4. Filter: Früchte

Das Qualitätsmerkmal einer Lehre oder eine Erfahrung sind die Früchte des Geistes, nicht die Gaben, das Übernatürliche oder Wunder.

Jesus sagte in der Bergpredigt folgendes: Mt.7, 15 "Nehmt euch in Acht vor denen, die in Gottes Namen auftreten und falsche Lehren verbreiten! Sie tarnen sich als sanfte Schafe, aber in Wirklichkeit sind sie reißende Wölfe. 16 Wie man einen Baum an seiner Frucht erkennt, so erkennt man sie an dem, was sie tun. Weintrauben kann man nicht von Dornbüschen und Feigen nicht von Disteln ernten. 17 Ein guter Baum bringt gute Früchte und ein kranker Baum schlechte.
Wir bewerten eine Lehre nicht an dem Aufsehen dass sie erregt, an den Phänomenen, die sie bewirkt, sondern an der Frucht die sie erzeugt. Wunder, übernatürliche Geschehnisse, Heilungen sind für uns nicht das wesentliche Kriterium, ob eine Lehre gesund ist oder nicht. Die Frage ist vielmehr, welche Frucht, welche charakterliche Veränderung eine Lehre bei den Menschen auslöst. Wird da etwas dem großen Bild Jesu ähnlicher oder verstärken sich Eigenschaften, die in den Evangelien kritisch gesehen werden (wenn auch in unserer Gesellschaft positiv bewertet)?

Der große Heilungsevangelist oder Prophet wird nicht durch die Wunder legitimiert, die geschehen, sondern allein durch die Frucht der charakterlichen Veränderung, die eine Lehre langfristig bewirkt. Hierzu sagte Jesus: Mt.7,22 Am Tag des Gerichts werden viele zu mir sagen: ›Herr, Herr! In deinem Namen haben wir prophetische Weisungen verkündet, in deinem Namen haben wir böse Geister ausgetrieben und viele Wunder getan.‹ 23 Und trotzdem werde ich das Urteil sprechen: ›Ich habe euch nie gekannt. Ihr habt versäumt, nach Gottes Willen zu leben; geht mir aus den Augen!‹«
Frucht ist nicht Erfolg, Mitgliederzahlen oder Einschaltquoten, sondern nachhaltige Veränderung und Gesundung eines Menschen.

5.Filter: Bescheidenheit

Die gesunde Lehre ist bescheiden, demütig und fragend, ohne Absolutheitsanspruch.


Eine gesunde Lehre könnt ihr daran prüfen, dass sie bescheiden ist. Eine gesunde Lehre bleibt fragend, bleibt demütig. Wo immer eine Lehre mit einem Absolutheitsanspruch verbunden ist, wird es problematisch. Andere Meinungen haben dort keinen Platz mehr. Die eigene Erkenntnis wird überbetont. Andere werden eingeschüchtert.
Paulus sagt in 1.Kor.13, 9 Denn unsere Erkenntnis ist bruchstückhaft, ebenso wie unser prophetisches Reden.
Wer das ernst nimmt, bleibt bescheiden, bleibt demütig, bleibt fragend.
Eine Lehre, die die letzte Antwort hat, die sich so ganz sicher ist, die Allgemeingültigkeit beansprucht, ist sehr gefährdet. Ich erlebe immer wieder gerade aus dem amerikanischen Raum theologische Konzepte und Lehren, die mit einer gewissen imperialistischen Haltung daherkommen. Die alle anderen Lehren überrennen. Die bisher geglaubtes zur Seite drängen und aus dem Weg schaffen. Die sich ihrer Gültigkeit und Wahrheit ganz besonders sicher sind. Für viele hat das etwas anziehendes, weil es klar und eindeutig oder verlässlich erscheint. Ich kann euch nur davor warnen. Gesunde Lehre ist bescheiden und weiß, dass es auch immer noch anders sein kann. Menschliches Erkennen und Lehren ist immer bruchstückhaft.

Wenn wir also mit christlicher Lehre konfrontiert sind, wenn wir eine Predigt hören, auf einem Kurs, Seminar oder Konferenz sind, ein christliches Buch lesen, einen christlichen  Podcast abonniert haben, über Facebook auf verschiedene geistliche Meinungen oder Behauptungen treffen, dann können wir das Mithilfe unserer Filter prüfen:
Entsprechen diese Gedanken und Lehren dem großen Bild, das von Jesus in den Evangelien gezeichnet wird?
Ist diese Lehre  einseitig, indem sie das schon jetzt und das noch nicht des Reiches Gottes überbetont?
Fördern diese Gedanken und Lehre die Ehrlichkeit? Wenn ich ganz ehrlich bin, ist dieses Glaubenskonzept lebbar oder muss ich mich dafür verbiegen und heucheln?
Haben diejenigen, die diese Lehre verbreiten echte Früchte aufzuweisen oder nur Erfolge?
Und sind diese Gedanken und Lehren verbunden mit genügend Bescheidenheit, mit dem Wissen, dass es auch ganz anders sein kann, und dass die eigene Meinung nur Stückwerk ist.