Im letzten Blogbeitrag habe ich deutlich
gemacht, dass wir für unseren Glauben dringend theologische Filter brauchen. Es
ging zunächst darum, dass ungeeignete Filter sind. In diesem Beitrag soll es
darum gehen, welche Filter sich eigenen, um einen gesunden Glauben und eine
gesunde Theologie zu entwickeln.
1. Filter: das Leben Jesu.
Entspricht diese Lehre oder Glaubenspraxis der Lehre und Glaubenspraxis Jesu, wie sie uns in den Evangelien geschildert wird?
Für unsere Beurteilung einer Lehre ist das
Leben und die Praxis Jesu von zentraler Bedeutung. In Jesus hat Gott sich
geoffenbart, sich der Welt vorgestellt. In Jesus hat Gott deutlich gemacht: so
bin ich, das ist mein Charakter, das ist meine Wahrheit!
In Christus wohnt
die ganze Fülle Gottes leibhaftig, heißt es im Kolosserbrief.
Gott ist nie
anders, als er sich in Christus geoffenbart hat!
Das ist der wichtigste theologische Grundsatz,
den Christen verstehen müssen. Ich glaube Christus ist wirklich die
einzigartige, vollkommene Offenbarung Gottes. Darum ist er die Mitte unseres
Glaubens und das Kriterium aller Wahrheit.
Gott ist nie anders als Christus. Jesus ist
die Biografie, das Spiegelbild, das Abbild Gottes. Nichts bildet Gott so klar
ab wie Jesus in den Evangelien.
Ich glaube auch, dass andere Teile der Bibel,
besonders im Alten Testament keinesfalls der Abbildung Gottes durch Jesus
gleichwertig sind. Ich glaube dass viele Geschichten im Alten Testament
abbilden, wie die Menschen zur damaligen Zeit Gott verstanden haben. Aber alle Vorstellungen
Gottes durch die Jahrtausende hinweg gipfeln in Jesus Christus und werden
letztlich durch seine Offenbarung ins rechte Licht gestellt.
Viele Menschen und auch Christen haben große
Mühe mit einigen Texten im Alten Testament, wenn Gott befiehlt, die Kanaaniter
mit Stumpf und Stiel auszurotten, Männer, Frauen, Kinder, Greise und sogar
deren Tiere. Aber für mich ist das eine Geschichte, eine inspirierte
Geschichte, die uns etwas zeigt vom Verständnis der damaligen Menschen, die
ganz Teil ihrer Welt waren. Sie wussten nicht anders von Gott zu reden als wie
man eben vor 3000 Jahren von einem Gott geredet hat. Aber diese Geschichten
sind keine Offenbarung des Wesens Gottes. Es sind Geschichten die etwas vom
Gottesverständnis der damaligen Menschen offenbaren.
Gott offenbart sich in Jesus Christus. Und darum ist es so wichtig,
dass wir dieses Leben Jesu kennen. Wir müssen zuhause sein in den Evangelien. Und
darum wollte Gott auch, dass es vier verschiedene Evangelien gibt, um vier
verschiedene Blickwinkel auf dieses Leben von Jesus werfen zu können und damit
ein möglichst umfassendes Bild von Jesus zu bekommen. Es gibt keine 4
Apostelgeschichten, aber 4 Evangelien! Es geht wirklich um das große Bild, das
von Jesus gezeichnet wird.
Wir filtern eine Lehre nicht anhand
irgendeines Verses, den wir glücklicherweise in den Evangelium finden und damit
eine bestimmte Lehre rechtfertigen können.
Es geht um die klaren, deutlichen Züge, die
das Leben und Tun Jesu hatten.
Ein paar Beispiele:
Jesu zentrales Thema ist die Liebe. An der Liebe, dem Wachsen von Liebe, der
Verbreitung der Liebe, muss sich alles messen lassen.
Ein anderer großer Zug ist das Thema Frieden.
In der Versuchung zur Macht, Gewalt,
Herrschaft hat sich Jesus immer als Friedensstifter gezeigt und der Versuchung
zur schnellen Lösung durch Gewalt widerstanden.
Ein anderer großer Zug ist Jesu Stellung zu
den Armen und Schwachen
Er hat sich immer auf die Seite der
Bedürftigen, der Schwachen, der Zerbrochenen, der Gebeugten gestellt und war
skeptisch gegenüber den Starken, den Überlegenen, den Stolzen
Wenn wir also eine Lehre prüfen wollen, dann
muss sie durch den Filter des Lebens Jesu hindurchlaufen. Fördert diese Lehre
ein Leben und ein Christsein, dass diese großen Züge des Lebens Jesu
wiederspiegelt? Fördert diese Lehre ein Leben und einen Glauben, der diesem
Bild Jesu ähnlicher wird?
2. Filter: die Reich-Gottes-Spannung
Einige Theologen haben vor ein paar
Jahrzehnten ein ganz wichtiges theologisches Prinzip formuliert: es gibt ein
spannungsvolles und geheimnisvolles miteinander vom "schon jetzt" und
"noch nicht" des Reiches Gottes. Wir erleben in der Bibel, in der
Kirchengeschichte und in unserem eigenen Leben dieses „schon jetzt“ und „noch
nicht“ der Herrschaft Gottes. Wie erleben Gebetserhörungen, wo Gottes
Herrschaft sichtbar kommt, Krankheiten geheilt werden, Depressionen
verschwinden, Friede hergestellt wird, Lebensumstände verändert werden und der
Himmel auf die Erde kommt. Wir erleben aber auch ausbleibende Gebetserhörungen,
das Verbleiben vom Bösen, dass nicht geheilt werden, der Zustand von Streit und
Uneinigkeit, die gleich bleibenden schwierigen Lebensumstände und einen
verschlossenen Himmel.
Irdischem Leben mutet Gott dieses geheimnisvolle
Miteinander bis zu seiner Wiederkunft zu.
Und mit uns sehnt sich die ganze Schöpfung
nach der endgültigen Vollendung.
Paulus schreibt:
Rö.8,21 Auch sie, die Schöpfung, wird
von der Last der Vergänglichkeit befreit werden und an der Freiheit teilhaben,
die den Kindern Gottes mit der künftigen Herrlichkeit geschenkt wird.
22 Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter
ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen. 23 Und sogar
wir, denen Gott doch bereits seinen Geist gegeben hat, den ersten Teil des
künftigen Erbes, sogar wir seufzen innerlich noch, weil die volle
Verwirklichung dessen noch aussteht, wozu wir als Gottes Söhne und Töchter
bestimmt sind: Wir warten darauf, dass auch unser Körper erlöst wird.
Dieses schon jetzt und noch nicht, dieses
Jubeln und Seufzen, ist das Erdreich unseres geistlichen Lebens. In dieses
Miteinander sind wir eingepflanzt und in diesem Mischboden sollen und können
wir gedeihen und wachsen.
Eine Lehre ist dann ungesund und sollte
ausgefiltert werden, wenn sie dieses spannungsvolle Miteinander auflösen
möchte. Entweder weil sie das „schon jetzt“ überbetont und behauptet, alle
müssen immer geheilt werden, alle können Wohlstand erleben, jedes Problem kann
mit genug Vollmacht bewältigt werden.
Es ist die Überbetonung der Machbarkeit, der
Verfügbarkeit von Gottes Kraft und Geist im Grunde genommen geistlicher Stolz und
Überheblichkeit.
Oder es ist auf der anderen Seite die
Überbetonung des „noch nicht“, die behauptet Gottes Kraft steht uns nicht mehr
zur Verfügung, jeder muss sich in sein Schicksal fügen, man darf nichts mehr
Großes erwarten, für Kranke zu beten sei unbiblisch und Geistesgaben gibt es
nicht mehr. Es ist die Überbetonung der Ohnmacht, der Hilflosigkeit und der Unverfügbarkeit von Gottes Kraft.
Und weil Menschen einfache Systeme und simple
Lösungen mögen, tendieren viele Lehren und Glaubenspraxen zu einer der beiden
Seiten dieses geheimnisvollen und spannungsvollen Miteinanders.
Hier müssen wir vorsichtig und behutsam sein.
Hier lauert die ungesunde Lehre.
3. Filter: Ehrlichkeit
Die Lehre muss Ehrlichkeit und Echtheit fördern und darf diese nicht erschweren.
Ehrlichkeit ist ein enorm hohes Gut des
christlichen Glaubens. Der christliche Glaube muss Ehrlichkeit und Echtheit
fördern und darf Menschen nicht zur Heuchelei oder Unehrlichkeit verführen. Aber
genau das ist christlichem Glauben immer wieder passiert. Es wurden Lehren und
Glaubenssätze aufgestellt, die für Menschen irgendwie uneinhaltbar waren und zu
einer Doppelmoral führten. Man hat nach außen hin etwas vorgegeben, was
man in Wirklichkeit nicht glauben oder leben konnte. Die Lehre war zu
anspruchsvoll, zu perfektionistische, zu weltfremd, zu abgehoben, zu mystisch,
zu elitär, zu radikal… Der Normalo ist da nicht mitgekommen. Der gewöhnliche
Christ erreicht diese Sphären des Glaubens nicht. Und damit haben diese
besonderen Lehren das Potenzial, Menschen zur Unehrlichkeit und Heuchelei zu
verführen. Dieses Phänomen finden wir ganz besonders bei Sekten, wo der starke
Gruppendruck dazu führt, dass Menschen sich einer Lehre anpassen oder
zustimmen, die sie vielleicht überhaupt nicht sinnvoll finden, nachvollziehen
oder leben können.
Schafft diese Lehre, mit der wir da also
konfrontiert sind eine Zweiklassengesellschaft? Die Könner, die Versteher, die
Erleuchteten und die offensichtlich Ungeistlichen, Unfähigen, Kleingläubigen? Ist
eine Lehre so elitär, dass ein ganzer Teil der Christen heucheln müsste, um
vorzugeben, diese Lehre verstehen, glauben oder leben zu können? Besonders
bestimmte charismatische Lehren haben so etwas abgehobenes und elitäres an
sich, dass diese Art zu glauben oder zu
leben für die meisten Christen unerreichbar bleibt. Und in so manchem Fall
stellt sich am Ende heraus, dass selbst der Verkündiger dieser Lehre nicht
wirklich in der Lage war, diese zu leben, sondern ein Heuchler war.
4. Filter: Früchte
Das Qualitätsmerkmal einer Lehre oder eine Erfahrung sind die Früchte des Geistes, nicht die Gaben, das Übernatürliche oder Wunder.
Jesus sagte in der Bergpredigt folgendes: Mt.7,
15 "Nehmt euch in Acht vor denen, die in Gottes Namen auftreten
und falsche Lehren verbreiten! Sie tarnen sich als sanfte Schafe, aber in
Wirklichkeit sind sie reißende Wölfe. 16 Wie man einen Baum an seiner
Frucht erkennt, so erkennt man sie an dem, was sie tun. Weintrauben kann man
nicht von Dornbüschen und Feigen nicht von Disteln ernten. 17 Ein guter
Baum bringt gute Früchte und ein kranker Baum schlechte.
Wir bewerten eine Lehre nicht an dem Aufsehen
dass sie erregt, an den Phänomenen, die sie bewirkt, sondern an der Frucht die
sie erzeugt. Wunder, übernatürliche Geschehnisse, Heilungen sind für uns nicht
das wesentliche Kriterium, ob eine Lehre gesund ist oder nicht. Die Frage ist
vielmehr, welche Frucht, welche charakterliche Veränderung eine Lehre bei den
Menschen auslöst. Wird da etwas dem großen Bild Jesu ähnlicher oder verstärken
sich Eigenschaften, die in den Evangelien kritisch gesehen werden (wenn auch in
unserer Gesellschaft positiv bewertet)?
Der große Heilungsevangelist oder Prophet wird
nicht durch die Wunder legitimiert, die geschehen, sondern allein durch die
Frucht der charakterlichen Veränderung, die eine Lehre langfristig bewirkt. Hierzu
sagte Jesus: Mt.7,22 Am Tag des Gerichts werden viele zu mir sagen:
›Herr, Herr! In deinem Namen haben wir prophetische Weisungen verkündet, in
deinem Namen haben wir böse Geister ausgetrieben und viele Wunder getan.‹
23 Und trotzdem werde ich das Urteil sprechen: ›Ich habe euch nie gekannt.
Ihr habt versäumt, nach Gottes Willen zu leben; geht mir aus den Augen!‹«
Frucht ist nicht Erfolg, Mitgliederzahlen oder Einschaltquoten, sondern nachhaltige Veränderung und Gesundung eines Menschen.
Frucht ist nicht Erfolg, Mitgliederzahlen oder Einschaltquoten, sondern nachhaltige Veränderung und Gesundung eines Menschen.
5.Filter: Bescheidenheit
Die gesunde Lehre ist bescheiden, demütig und fragend, ohne Absolutheitsanspruch.
Eine gesunde Lehre könnt ihr daran prüfen,
dass sie bescheiden ist. Eine gesunde Lehre bleibt fragend, bleibt demütig. Wo
immer eine Lehre mit einem Absolutheitsanspruch verbunden ist, wird es
problematisch. Andere Meinungen haben dort keinen Platz mehr. Die eigene
Erkenntnis wird überbetont. Andere werden eingeschüchtert.
Paulus sagt in 1.Kor.13, 9 Denn unsere
Erkenntnis ist bruchstückhaft, ebenso wie unser prophetisches Reden.
Wer das ernst nimmt, bleibt bescheiden, bleibt
demütig, bleibt fragend.
Eine Lehre, die die letzte Antwort hat, die
sich so ganz sicher ist, die Allgemeingültigkeit beansprucht, ist sehr
gefährdet. Ich erlebe immer wieder gerade aus dem amerikanischen Raum
theologische Konzepte und Lehren, die mit einer gewissen imperialistischen
Haltung daherkommen. Die alle anderen Lehren überrennen. Die bisher geglaubtes
zur Seite drängen und aus dem Weg schaffen. Die sich ihrer Gültigkeit und
Wahrheit ganz besonders sicher sind. Für viele hat das etwas anziehendes, weil
es klar und eindeutig oder verlässlich erscheint. Ich kann euch nur davor
warnen. Gesunde Lehre ist bescheiden und weiß, dass es auch immer noch anders
sein kann. Menschliches Erkennen und Lehren ist immer bruchstückhaft.
Wenn wir also mit christlicher Lehre
konfrontiert sind, wenn wir eine Predigt hören, auf einem Kurs, Seminar oder
Konferenz sind, ein christliches Buch lesen, einen christlichen Podcast abonniert haben, über Facebook auf
verschiedene geistliche Meinungen oder Behauptungen treffen, dann können wir
das Mithilfe unserer Filter prüfen:
Entsprechen diese Gedanken und Lehren dem
großen Bild, das von Jesus in den Evangelien gezeichnet wird?
Ist diese Lehre einseitig, indem sie das schon jetzt und das
noch nicht des Reiches Gottes überbetont?
Fördern diese Gedanken und Lehre die
Ehrlichkeit? Wenn ich ganz ehrlich bin, ist dieses Glaubenskonzept lebbar oder
muss ich mich dafür verbiegen und heucheln?
Haben diejenigen, die diese Lehre verbreiten
echte Früchte aufzuweisen oder nur Erfolge?
Und sind diese Gedanken und Lehren verbunden
mit genügend Bescheidenheit, mit dem Wissen, dass es auch ganz anders sein
kann, und dass die eigene Meinung nur Stückwerk ist.