Dienstag, 16. Dezember 2014

Prüft alles, das Gute behaltet - Gute theologische Filter entwickeln (Teil 1)



Leider hat Glaube und Religion das Potential Menschen zu verführen oder zu Fanatikern zu machen. Und das ist nicht nur ein Phänomen des Christentums.
Jede Religion kann Menschen Freiheit und Erlösung und Sinn und Hoffnung bringen, aber eben auch Intoleranz, Gewalt, Feindseligkeit und Fanatismus.
Wir erleben das gerade bei der islamischen Religion.
Da meinen Menschen sie tun Gott einen Gefallen, wenn sie andere Moslems mit ein wenig anderen Überzeugungen während dem Besuch der Moschee in die Luft sprengen oder abknallen.
Da meinen gläubigen Moslems, Gott zu gefallen, wenn sie vor laufender Kamera Menschen aus dem Westen enthaupten.
Diese Fanatiker schrecken nicht davor zurück, im Namen Gottes eine Schule zu überfallen, 300 Mädchen zu rauben und sie Zwangs zu verheiraten!
Glaube kann unglaublich fanatisch machen, den gesunden Menschenverstand ausschalten und uns in die Irre führen.

Aber das Christentum hat es nicht viel besser gemacht.
Im Mittelalter meinten die Menschen, sie würden Jesus besonders treu nachfolgen, wenn sie Andersgläubige oder selbstbewusste Frauen oder Menschen, die an der Bibel zweifelten auf einem Scheiterhaufen verbrennen würden.
Und Päpste und Priester predigen anstatt Nächstenliebe und Feindesliebe Mord und Totschlag und riefen zu Kreuzzügen auf, wo im Zeichen des Kreuzes tausenden von Menschen niedergemetzelt wurden.

Religion kann verführen. Und darum müssen wir immer wieder überprüfen, ob wir mit unserem Glauben auf dem richtigen Kurs sind oder ob wir erste Anzeichen von Fanatismus und Extremismus zeigen.
Man glaubt nicht besonders gut, wenn man besonders radikal oder extrem ist.
Großer Glaube zeichnet sich durch große Hingabe und große Liebe aus.

Früher hatten die Menschen keine andere Quelle für ihren Glauben als den Klerus.
Die Predigten der Priester oder die Texte der Konzilien und Päpste.
Der Klerus war der Filter für den Glauben der Menschen

Heute haben die Menschen ganz eigenständig Zugang zu unendlich vielen Lehren und christlichen Überzeugung. Ungefiltert, ohne dass irgendein Priester dazwischen geschaltet ist.
Heute werden jährlich Tausende von Predigten gehalten, auf Blogs werden unzählige von Artikeln veröffentlicht, auf vielen Konferenzen werden ganz unterschiedliche Lehren und Praktiken verbreitet, Seminare unterrichten uns was Glaube bedeutet, wie eine Ehe funktioniert und wie man Kinder erzieht.
Und es vergeht kein Tag, an dem nicht ein neues christliches Buch veröffentlicht wird.

Was hilft einem da, einen gesunden Glauben zu entwickeln und nicht fanatisch oder verleitet oder in die Irre geführt zu werden?

Ich möchte in diesem und dem nächsten Beitrag über ein paar Filter schreiben.
Filter, die uns helfen christliche Lehre beurteilen und unterscheiden zu können.
Filter, die uns helfen einen gesunden Glauben zu entwickeln ohne in die Irre zu gehen.

Basler Trinkwasser


Vor einigen Wochen besuchte ich mit meinem Lehrerkollegium die Basler Wasserwerke. Die Gewinnung des Trinkwassers funktioniert folgendermaßen:
Bewaldete Wässerstellen werden periodisch mit filtriertem Rheinwasser überflutet. Auf dem Weg durch das Erdreich wird das Wasser mechanisch und biologisch gereinigt. In einigen Metern Tiefe vermischt es sich mit dem Grundwasser, von wo es mehrere Trinkwasserbrunnen fördern. Um einen ausgewogenen pH-Wert des Trinkwassers einzustellen, werden geringe Mengen Natronlauge zugesetzt. Damit das Trinkwasser auf dem Weg zum Verbraucher nicht verkeimt, wird es anschliessend noch desinfiziert und dann in die Reservoire gepumpt. 

Lebendiges Wasser

Trinkwasser ist ein Bild für die christliche Lehre.
Immer wieder werden die Worte Jesu mit lebendigem Wasser verglichen.
Der Ausdruck lebendiges Wasser meint nicht, dass im Wasser noch irgendetwas lebt, denn dann wäre es wahrscheinlich nicht besonders sauber, sondern hätte eine Menge Bakterien und Kleintiere, sondern lebendiges Wasser war der biblische Ausdruck für Trinkwasser.
Sauberes Trinkwasser war in antiker Zeit ja ein großes Problem. Woher bekomme ich sauberes Trinkwasser?
Und wenn jemand einen Ort mit Trinkwasser entdeckt hat, eine Quelle oder einen Brunnen, dann sprach man von lebendigem Wasser.
Wasser war das allerwichtigste Lebensmittel in der Antike und ist es bis heute geblieben.
Die Lehre des Evangeliums, die Worte, die Jesus uns gelehrt hat wird mit lebendigem Wasser, also mit Trinkwasser verglichen.
Seit Menschengedenken sind wir von trinkbarem Wasser abhängig, um zu überleben.
Und genau so ist Seelenleben abhängig vom Evangelium, von den Worten und der Lehre Jesu.

Und der Weg des Basler Wassers ist ein wunderbares Bild für unser geistliches Leben.
Basel lebt vom Grundwasser. Von dort beziehen alle Basler Haushalte ihr Trinkwasser.
Wir als Christen leben ebenfalls von unserem Grundwasser.
Jeder Christ hat geistliches Grundwasser. Dieses Grundwasser speist sein geistliches Leben.
Dieses Grundwasser besteht aus den Worten Jesu, der Lehre der Bibel, dem Evangelium.
Und jeder Christ ist dafür verantwortlich, einen möglichst hohen Grundwasserspiegel zu haben.
Denn wir alle wissen um die Wüstenzeiten  unseres Lebens. Schwierige Zeiten, herausfordernde Zeiten, Enttäuschungen, ausbleibende Gebetserhörungen, brennende Fragen usw.
Wohl dem, der dann einen hohen Grundwasserspiegel in seinem Leben hat und geistlich nicht austrocknet.

Im Propheten Jeremia wird ein ganz ähnliches Bild gebraucht. Dort heißt es:

Jer.17,8 Die auf dem Herrn vertrauen sind wie Bäume, die am Wasser stehen und ihre Wurzeln zum Bach hin ausstrecken. Sie fürchten nicht die glühende Hitze; ihr Laub bleibt grün und frisch. Selbst wenn der Regen ausbleibt, leiden sie keine Not. Nie hören sie auf, Frucht zu tragen.


Ihr merkt, wie die Bibel voll ist von diesem Bild des Wassers und wie wir dafür sorgen sollen, am Wasser gepflanzt zu sein. Sonst trocknen wir aus, wenn die glühende Hitze kommt und der Regen ausbleibt.

Und damit mein Grundwasserspiegel hoch ist, muss ich dasselbe tun wie die Basler:
Das Grundwasser muss gespeist werden.
Ich muss meinem Grundwasser Rheinwasser zuführen.

Der Strömungen der christlichen Lehre

Der Rhein ist ein Bild für die vielen Quellen und Ströme christlicher Lehre und christlichen Glaubens.
In diesem großen Strom fließen die Lehren der Vergangenheit
Wie die Kirchenväter die Bibel verstanden haben
Was die kirchlichen Konzilen festgelegt haben.
Was Martin Luther in der Bibel entdeckt hat.
Was wir an katholischer oder orthodoxer Tradition haben.
Die Lehren des Pietismus
usw.

In diesem großen Strom fließen aber auch Lehren der Gegenwart
Die Befreiungstheologie
Das Jesusbild der messianischen Juden
Die Entdeckungen von Willowcreek
Das Gemeindeverständnis von Saddleback
Das Reich-Gottes-Verständnis von Vineyard
Das Feiertagsverständnis der Adventisten
Die geistliche Prägung einer STH oder einer theologischen Fakultät der Uni Basel, oder IGW oder ISTL
Die Predigten von Joyce Meyer
Die Bücher von Anselm Grün
Die Podcasts von Andy Stanley
Die Seminare und Konferenzen von Redding und Bill Johnson
Prophetien bekannter oder unbekannter Christen
usw.

Und wir sind dankbar für diesen großen Strom christlicher Lehre!
Wir können daraus schöpfen, es ist ein riesiges Reservoir.
Und ich möchte euch alle ermahnen, euren Grundwasserspiegel im Blick zu haben.
Christen müssen immer Lernende sein!
Wir müssen unsere Wurzeln in den großen geistlichen Rhein strecken, um erfüllt zu bleiben!
Wir müssen lesen, hinhören, lernen, Fragen stellen, nachdenken, im Gespräch sein und keinesfalls gleichgültig werden.

Nicht deine Gemeinde, nicht dein Pastor oder sonst irgendjemand ist verantwortlich für deine Grundwasserspiegel.
Du selbst trägt die Verantwortung, deine Wurzeln auszusteigen zum Wasser.
Du selbst trägt die Verantwortung dein Grundwasserreservoir zu fühlen aus dem großen Strom christlicher Lehre.

Und gleichzeitig geht es darum, nicht nur mein Grundwasserreservoir aufzufüllen, sondern entsprechende Filter einzubauen, damit mein Grundwasser nicht verunreinigt oder sogar vergiftet wird.
Nicht alles, was im Rhein schwimmt ist ungefährlich.
Das Wasser aus diesem Strom muss gefiltert werden.
Beim Basler Wasser sind viele Filter zwischengeschaltet, bevor das Rheinwasser im Grundwasser landet. Grobe Filter und ganz feine Filter. Die Basler Wasserwerke haben sogar ein Becken mit Wasserflöhen, an deren Zustand man blitzschnell erkennen kann, wie es um die Wasserqualität steht.

Prüfet alles


Auch wir brauchen die richtigen Filter, durch die das Wasser der Lehre hindurch laufen muss, um am Ende sauberes Trinkwasser zu bekommen.
Und unsere Filter müssen gut sein, damit sich nicht Giftstoffe in geringer Menge am Ende doch durch das Trinkwasser in unserer Seele anreichern.
Leider kann eine Menge gutes Wasser nur durch ein bisschen Gift schädlich werden. Es braucht eben nicht viel Gift, um ganz viel Gutes zu zerstören.
Und so gibt es manch subtile Lehre, deren Gift sich in unserer Seele anreichert und unseren Glauben in die Irre führt. Lehre muss geprüft werden.
Sehr bekannt ist die Aussage von Paulus im Thessalonicherbrief:

1.Thess.5,19 Lasst den Geist Gottes ungehindert wirken! 20 Wenn jemand unter euch in Gottes Auftrag prophetisch redet, so weist ihn nicht ab. 21 Prüft alles, und behaltet das Gute!

Was hier in Bezug auf Prophetien ausgesagt wird, lässt sich aber auch gut als allgemein gültiges Prinzip für christliche Lehre nehmen. Denn gerade am Anfang des Christentums wurde nicht immer klar unterschieden zwischen der Gabe der Prophetie und biblischer Predigt. Beides wurde immer wieder als prophetische Rede bezeichnet.
Wir sind hier aufgefordert Lehre zu prüfen, dass Schlechte auszusondern und das Gute zu behalten.
Ganz ähnlich formuliert das auch Johannes in seinem Brief:

1.Joh.4, 1 Liebe Freunde, glaubt nicht jedem, der behauptet, seine Botschaft sei ihm von Gottes Geist eingegeben, sondern prüft, ob das, was er sagt, wirklich von Gott kommt. Denn in dieser Welt verbreiten jetzt zahlreiche Lügenpropheten ihre falschen Lehren.

Auch hier die Aufforderung zu prüfen, um falsche Lehren zu entdecken.

 
Im christlichen Glauben kann man zwischen zwei wichtigen Dingen unterscheiden
Nämlich die Unterscheidung zwischen Ethik und Dogmatik, zwischen Ethos und Dogma.
Ethik meint das Sittliches und moralisches Verhalten eines Menschen.
Ethik stellt also die Frage nach dem, was erlaubt und verboten ist.
Dogmatik meint die christliche Lehre, von der ich überzeugt bin und die ich glaube.
Dogmatik stellt also die Frage nach dem was geglaubt werden soll, was wahr und falsch ist.
Das Wort Dogma meint eigentlich die Lehre.

Was ich aber heute und nächsten Sonntag machen möchte ist euch ein paar dogmatische Filter mitzugeben.
Welcher Lehre glauben wir und welcher Lehre vertrauen wir uns an? Wovon sind wir also überzeugt, was halten wir für biblische Lehre?

Ungeeignete Filter

Bevor ich das nächste Mal konkret auf wichtige Filter eingehe, möchte ich zunächst einmal beschreiben, welche Filter ungeeignet sind, um für unser gesundes geistliches Trinkwasser zu sorgen.

1. Ungeeignet ist zum einen die platte Frage: finde ich diese Lehre in der Bibel?
Je nachdem, wie ich mit der Bibel umgehe, kann ich so ziemlich jede Lehre daraus ableiten. Vor allem wenn ich nicht das große Ganze sehe, sondern einzelne Verse oder Aussagen herauspicke.
Im Vorfeld dieser Predigt habe ich eine Internetrecherche gemacht.
Und ich bin auf unterschiedliche Internetseiten gestoßen, die alle schon im Titel Ihrer Internetseite oder in großen Buchstaben als Überschrift behauptet haben, total bibeltreu zu sein. Nur der biblischen Wahrheit verpflichtet.
Die Bibel als einzige und höchste Autorität.
Und trotzdem haben die Autoren dieser Seiten sich gegenseitig als gefährliche Irrlehrer bezeichnet.
Da verteidigt einer eine ganz wichtige christliche Lehre und warnt vor bestimmten Kreisen und Bewegungen und deren Irrlehren, wohingegen genau diese Kreise unter Berufung auf dieselbe Bibel genau vor den Irrlehren jener ersten Kreise warnen.
Was meint denn biblisch?
Ist etwas biblisch, wenn es einen Vers gibt, der genau das sagt, was ich behaupte?
Müssen möglichst viele Christen dieser Lehre zustimmen, damit sie biblisch ist?
Muss eine Lehre seit über 500 Jahren bestehen, damit sie wirklich biblisch ist?
Wann ist denn etwas biblisch?
Es reicht nicht, einen Vers zu finden, der irgendetwas aussagt.
Biblisch ist etwas nur dann, wenn es der gesamten Bibel und ihres gesamten Zeugnisses entspricht.
Und ich muss der Entwicklung, die sich innerhalb der Bibel vollzieht, Rechnung tragen! Innerhalb der Bibel entwickeln sich Dinge und korrigiert sich die Bibel selbst.
Das einfachste Beispiel ist die Entwicklung von Gewaltanwendung in der Bibel.
In den ersten Büchern der Bibel ist Gewalt ein legitimes Mittel, um nationale oder auch persönliche Interessen durchzusetzen oder mit bösen Menschen umzugehen.
Das ändert sich dann in den Propheten und gipfelt in der Aussage Jesu, auf jegliche Gewalt zu verzichten und sogar seine Feinde zu lieben.
Und solche Entwicklungen stellen wir bei verschiedenen Themen fest. Und dann ist es eben nicht biblisch, einen Vers oder einen Abschnitt zu zitieren, der am Anfang einer Entwicklung steht er nicht an deren Ende.

2. Ungeeignet sind auch meine persönlichen Prägungen und Erfolge.
Auch für viele Christen gilt: was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.
Wenn wir protestantisch geprägt sind, werden wir ganz schnell bestimmte katholische Lehren als unbiblisch abtun, aber nicht aus echter Bibelkenntnis, sondern weil wir einfach anders geprägt sind oder uns bestimmte Glaubensinhalte ungewohnt sind.
Und wer Landeskirchlich geprägt ist, findet ganz schnell einige freikirchliche Lehren unbiblisch oder gefährlich.
Dann empfindet man freikirchlichen Lobpreis als emotional und manipulativ
Oder freikirchliche Strukturen als undemokratisch und machtorientiert.
Aber das hat etwas mit unserer Prägung und damit unseren Vorlieben zu tun und nicht wirklich mit einem biblischen Filter.

Mir ist bewusst, dass unsere persönlichen Erfolge und Misserfolge für unsere eigene Biografie und Glaubensentwicklung sehr wichtig sind.
Aber sie sind eine sehr zweischneidige Sache, wenn es darum geht, christliche Lehre zu beurteilen.
Sehr schnell haben wir den Eindruck, etwas sei unbiblisch, bloß weil wir schlechte

Aber genauso schnell kann es passieren, eine zwielichtige Lehre als gesund zu akzeptieren, bloß weil wir eine erfolgreiche oder gute Erfahrung damit gemacht haben.
Genau wegen solch positiven Erfahrungen rechtfertigen ganz viele Menschen die verrücktesten Lehren.
Sie beten sich frei von der Schuld ihrer Vorfahren, bloss weil irgendjemand danach Befreiung erlebt hat.
Oder sie beten umschlungen mit einer Israelfahne, nur weil sie so einmal eine Gebetserhörung erlebt haben.
oder sie meinen, sie müssten mit Dämonen reden und deren Namen erfahren, bloß weil bei solch einem Exorzismus einmal ein Kranker geheilt wurde.
Oder sie meinen, sie müssten 100 mal am Tag bekennen, durch Christus reich zu werden, bloß weil ihr Pastor dadurch offensichtlich zum Millionär wurde.
Wenn es hilft, sind Menschen versucht, die Absurdesten Lehren zu glauben.

Einen Vers in der Bibel zu finden macht eine Lehre noch nicht biblisch
Und mit etwas Erfolg oder Misserfolg gehabt zu haben oder eine bestimmte Prägung mitbekommen zu haben ist auch noch kein geeigneter Filter für eine christliche Lehre.
Im nächsten Beitrag werde ich darüber reden, was geeignete Filter sind für eine gesunde Lehre und einen gesunden Glauben.


1 Kommentar:

  1. Wie soll ich den dritten Satz dieses Posts verstehen: «Jede Religion kann Menschen Freiheit und Erlösung [...] bringen, [...].»? Kann man Erlösung in allen Religionen finden?

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