In unserer
letzten Predigt haben wir uns mit dem Phänomen der Konsumgesellschaft und
Multioptionsgesellschaft auseinandergesetzt.
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Bild von peekm auf Flickr |
Wir leben in
einer ganz ausgeprägten Konsumgesellschaft.
Und das nimmt in
immer stärkerem Maße zu. Unser Leben ist zutiefst geprägt und gezeichnet von
einem Lebensstil des Konsumierens. Konsum als unsere Lebensgrundlage ist der
dominierende Lebensstil unserer westlichen Gesellschaft.
Bei der
Konsumgesellschaft geht es im wesentlichen um die Frage:
- Was
bringt es mir?
- Mein
Interesse kommt zuerst
- Was
springt für mich dabei heraus?
In der
Konsumgesellschaft sind mir ich und meine Bedürfnisse das Nächste. „Liebe
deinen Nächsten wie dich selbst“ heißt in der Konsumgesellschaft vor allem
einmal: wie dich selbst. Ganz tief in uns Menschen steckt die Haltung, dass wir
auf ganz vieles ein naturgegebenes Recht verspüren:
·
Ein
Recht auf Besitz, ein Recht auf Gesundheit, ein Recht auf Bequemlichkeit und
Komfort, ein Recht auf angemessene Behandlung, ein Recht auf Freizeit, ein
Recht auf Individualität, ein Recht auf meine Bedürfnisse usw.
Gleichzeitig sind
wir eine Multioptionsgesellschaft.
Noch nie hatten
die Menschen so viele Wahlmöglichkeiten für die Gestaltung ihres Lebens. Ich
kann mir meine Religion auswählen, meinen Ehepartner, meine Arbeitsstelle,
meine Bildung usw. All das war in den Gesellschaftsformen vor 150 Jahren nicht
möglich:
·
Da
wurde ich verheiratet
·
Meine
Religion war vorbestimmt
·
Die
Arbeitsstelle durch den Vater vorgegeben
·
Und
meine Bildung meinen gesellschaftlichen Stand oder Geschlecht angepasst.
Wir haben aber
auch die Wahl zwischen unendlich vielen Produkten. Noch nie gab es so viele
Lebensmittel in unseren Läden. Noch nie so viele Kosmetikprodukte. Noch nie so
viele verschiedene Getränke, Fleischsorten, Grundnahrungsmittel, Joghurt oder Süßigkeiten.
Und in dieser
Multioptionsgesellschaft wird Verbindlichkeit zu einer enorm schwierigen
Tugend. Denn wer möchte sich schon festlegen, wenn man solch eine große Auswahl
hat? Da wartet man bis zum letzten Moment, bis es nicht mehr anders geht, um zu
vermeiden, dass ich doch die falsche Wahl treffe. Ich kann heute bis zum
letzten Moment warten, mich für einen Termin festzulegen, denn ich kann ja
innerhalb von Sekunden per SMS zusagen oder absagen. Aber viel früher möchte
ich es nicht machen, denn vielleicht kommt noch ein attraktiverer Termin.
Und da der Mensch
in der Konsumgesellschaft zu allererst fragt: was bringt es mir? wird eben bis
zum letzten Moment gewartet, ob für mich nicht doch noch etwas kommt, dass mir
mehr Vergnügen, mehr Spaß, mehr Ruhe, mehr angenehme Gefühle, mehr Erholung
oder mehr Freude bringt.
Aber es ist
gerade dieser Mangel an Festlegung in unserer Multioptionsgesellschaft, dieser
Mangel an Verbindlichkeit und an Entschlussfreudigkeit, der Beziehungen und
Beziehungspflege immer schwieriger macht.
Verbindlichkeit
in der Gemeinde
Diese Problematik
findet sich auch in unseren Gemeinden. Denn wir alle stehen in dem Kampf, ob
unser Leben stärker geprägt wird vom Königreich Gottes oder von den Werten
unserer Konsumgesellschaft.
Das zeigt sich
besonders im Besuch der Gottesdienste. Für viele Christen in Westeuropa hat
sich der Sonntag zu einer Option entwickelt in unserer
Multioptionsgesellschaft. Da gibt es so viele Optionen, was man am Sonntag
alles machen kann. In die Natur, Wandern, in die Berge, zu Freunden, im Garten
sitzen, gemütlich Kaffeetrinken, Sport machen, Hobbys pflegen usw. Und ab und
zu ist dann auch wieder die Kirche dran. Und manche erinnern sich noch an die
Zeiten, wo der sonntägliche Gottesdienstbesuch keine Option war, sondern eine
Selbstverständlichkeit. Ein fester Bestandteil meiner persönlichen
Jesusnachfolge.
Hat man nicht das
Recht, seinen Sonntag zu gestalten wie man will? In einer Konsumgesellschaft
und Multioptionsgesellschaft ja! Bei einer Gemeinschaft des Königreichs bin ich
mir da nicht so sicher. Denn die letzten 2000 Jahre hat dieses Reich Gottes
dadurch funktioniert, dass Christen verbindlich waren.
Apg.4,42: Sie blieben aber beständig (=beharrlich, verbindlich) in der Lehre
der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
Der einzige Ausweg aus der ständigen Forderung der
Multioptionsgesellschaft ist der bewusste Verzicht. Ohne die Bereitschaft
auf Verzicht, wird jede Option zum Stress oder zur Bedrohung.
Darum hat Jesus so viel von „sich selbst verleugnen“ gesprochen. Da
sagt man nämlich zu Wünschen, Verlangen, Bedürfnissen immer öfter „Nein“. Das
ist nichts anderes als Verzicht.
Folgende Sätze sollte man seinem Denken antrainieren:
- Nicht erst mit dem Besten (preislich,
qualitativ, Grösse, Wirkungsgrad, Ästhetik, Fun…) voll zufrieden sein.
- Auch schon mit weniger voll zufrieden
sein
- Mit dem was ich jetzt habe voll zufrieden
sein
Ich merke, wie es mit schwerfällt, voll zufrieden zu sein (also
so, dass die Suche ein Ende hat), wenn ich weiss, dass es noch billiger,
besser, schneller, qualitativ hochwertiger usw. gegangen wäre. Kann ich die innere Suche
beenden, auch wenn ich weniger habe, als möglich wäre?
Hier braucht es persönliches Training, sonst sind wir immer auf der
Jagd und die vielen Möglichkeiten und Optionen werden zu einer ständigen
Ablenkung.