Anfangen möchte ich mit einem bekannten Vers aus der
Bergpredigt:
Mt.7,12+13: Gehet ein
durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur
Verdammnis führt; und ihrer sind viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist
eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenige sind ihrer, die
ihn finden.
Immer wieder werden diese Verse benutzt, um deutlich zu
machen, wie viele Menschen auf dem Weg in die Hölle sind und wie wenige den Weg
zum ewigen Leben finden.
Diese Deutung drängt sich auf, wenn man die Übersetzung von Luther benutzt. Etwas anders klingt der Text bereits, wenn man eine modernere Übersetzung liest:
Diese Deutung drängt sich auf, wenn man die Übersetzung von Luther benutzt. Etwas anders klingt der Text bereits, wenn man eine modernere Übersetzung liest:
Geht durch das enge
Tor! Denn das weite Tor und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind
dorthin unterwegs. Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der ins Leben führt,
und nur wenige sind es, die ihn finden! (NEÜ)
Hier wird „Verderben“ übersetzt und nicht „Verdammnis“. Aber
welches Wort wird hier im griechischen Text benutzt?
Das griechische Wort an dieser Stelle (απωλεια, apoleia)
kommt 20 Mal im NT vor. Allerdings nur zweimal im Matthäusevangelium. An dieser
Stelle und bei der Salbung in Bethanien. Dort wird das Wort folgendermaßen
verwendet:
Mat 26:7 Während des Essens kam eine Frau herein, die
ein Alabastergefäß mit sehr kostbarem Salböl mitbrachte. Sie goss Jesus das Öl
über den Kopf.
Mat 26:8 Als die Jünger das sahen, waren sie empört.
"Was soll diese Verschwendung (apoleia)?",
sagten sie.
Mat 26:9 "Man hätte dieses Öl teuer verkaufen und
das Geld den Armen geben können."
Matthäus gebraucht an dieser eindeutigen Stelle das Wort im
Sinne von „Vergeudung “, „Verschwendung“. Natürlich kann apoleia auch
Verderben, Zerstörung oder Vernichtung bedeuten, aber Matthäus gebraucht dieses
Wort eben für Verschwendung und Vergeudung.
Will dieser Vers also wirklich sagen, dass der Großteil der
Menschen in die Hölle kommt und nur ganz wenige in den Himmel? Zunächst einmal
steht überhaupt nichts von Himmel oder Hölle in diesen Versen. Wenn, dann steht
dort etwas von Verschwendung und Leben.
Wenn ich also mit diesem Blickwinkel noch einmal an den Vers
herangehe, könnte man ihn durchaus auch folgendermaßen interpretieren:
Zur damaligen Zeit gab es breite, ausgebaute Wege (meistens von den Römern angelegt) und es gab
natürlich besonders viele schmale, enge Wege die entsprechend zu kleinen
Toren oder Durchgängen führten.
Diese engen Pfade, vielleicht an einer Schlucht entlang, an
einem Abhang, an einem Fluss, brauchten ein ganz besonders hohes Maß an
Achtsamkeit und bewusstem Gehen, wohingegen der breite, gut ausgebaute Weg und
das große Tor deutlich weniger Achtsamkeit und bewusstes Laufen erforderten.
Auf dem breiten Weg kann man dahin schlendern, abgelenkt sein, ohne in Gefahr
zu geraten.
In diesem Sinne will Jesus durch diese beiden Verse zum Ausdruck
bringen, dass es leicht geschehen kann, sein Leben zu vergeuden, zu
verschwenden, nichts daraus zu machen, das eigene Leben für nichts Gutes zu
verwenden und dadurch gar nicht wirklich gelebt zu haben. Das geschieht, indem
man auf dem breiten Weg unterwegs ist, also unachtsam, abgelenkt und wenig
bewusst lebt.
Dahingegen führt der schmalen Weg, also das bewusste und
achtsame Leben zu wahrem Leben, zu erfülltem Leben, einem Leben das nicht
verschwendet und vergeudet wurde, dessen Lebensenergie sich nicht für Sinnloses
verschwendet hat.
Es geht in diesen Versen also überhaupt nicht um die Hölle
oder das ewige Leben, sondern darum das eigene Leben zu vergeuden, anstatt
wirklich bewusst und im Geiste Jesu gelebt zu haben.
Wie man sein Leben nicht vergeudet, sondern bewusst, achtsam und sinnerfüllt
lebt, genau das macht Jesus im Vers zuvor deutlich:
Mat 7:12 Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut
auch für sie! Das ist es, was Gesetz und Propheten fordern. Mat 7:13 Geht durch das enge Tor! Denn das weite Tor
und der breite Weg führen ins Verderben, und viele sind dorthin unterwegs.
Wer also so aufmerksam, achtsam und bewusst lebt, dass er
die Erwartungen und Bedürfnisse anderer Menschen wahrnimmt und ihnen
dementsprechend Gutes tut, genau der vergeudet sein Leben nicht, verschwendet
sein Leben nicht für Egoismus und die eigenen Bedürfnisse. Aber dieser Weg ist
eben schmal, anstrengend, erfordert Konzentration und Achtsamkeit. Wer einfach
so dahin schlendert im Leben, so dahinlebt, nimmt die Bedürfnisse anderer nur
wenig wahr, tut dadurch wenig Gutes und vergeudet vieles von dem, wozu sein
Leben eigentlich gedacht und berufen ist.
Und genau diesen Gedanken, das Leben nicht zu vergeuden, die
eigene Kraft, Energie und Stärken nicht zu verschwenden formuliert Jesus immer
wieder. Ganz explizit macht er es im Gleichnis von den anvertrauten Talenten im
Mt.25.
Lieber Martin,
AntwortenLöschenvielen vielen Dank für diese Worte!